Wie hingeküsst und trotzdem umstritten: Entwurf für die Historische Mitte | Foto: Staab Architekten

Die Handschrift des Dezernenten

Bauprojekte wie die Historische Mitte, der Deutzer Hafen und der Rudolfplatz werden per Wettbewerb entschieden. Warum ist das Ergebnis so langweilig?

»Sieht aus wie hingeküsst«, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Sie meinte den Siegerentwurf im Wettbewerb zur neuen »Historischen Mitte«, der von Staab Architekten aus Berlin stammt. Doch der Begeisterung von Reker und vieler Fachleute schlägt Kritik entgegen, die den Entwurf als erwartbar und unspektakulär geißelt. Auch dem Neubauprojekt »Wallarkaden« des Investors Momeni Immobilien am Rudolfplatz hat man Anfang des Jahres diesen Vorwurf gemacht. Ein drittes Beispiel für Meinungsverschiedenheiten lieferte zuletzt der städtebauliche Wettbewerb zur Umgestaltung des Deutzer Hafens (siehe StadtRevue 11/2016). Anstelle des Gewinners Cobe Architects aus Kopenhagen hatten viele das Kölner Büro Trint + Kreuder d.n.a. favorisiert. Sogar Anne Luise Müller, Leiterin des Stadtplanungsamtes, sang im Haus der Architektur ein Loblied auf deren Entwurf. Ist das nur ein  architektonischer Dissens? Oder drückt Baudezernent Franz-Josef Höing eine bestimmte Ästhetik durch?

 

Anders als alle Konkurrenten hat das Büro Volker Staab für die Historische Mitte zwei statt nur einen kubischen Baukörper entworfen, die zudem in Volumen, Höhe und Gestaltung völlig unterschiedlich sind. Der zum Kurt-Hackenberg-Platz ausgerichtete Neubau des Stadtmuseums und der Verwaltung des Römisch-Germanischen Museums (RGM) nimmt die kubische Geschlossenheit des RGM auf, überragt dieses aber erheblich. Die durchbrochene Fassadengestaltung und die versetzten Fenster sind Mainstream, sie sollen noch überarbeitet werden. Das neue Kurienhaus des Doms soll schmaler als bisher ausfallen — so entstünde zum RGM hin ein kleiner Platz, über den nicht nur das Kurienhaus, sondern auch das Stadtmuseum erreichbar wären. Städtebaulich mag das sinnvoll sein. Es ist allerdings auch ein Eingeständnis, wie mangelhaft der Roncalliplatz gestaltet ist.

 

Wie kam nun die Entscheidung für Staab Architekten zustande? Zunächst lud die Stadt 13 Büros zu einem Werkstattverfahren ein, in dem »städtebauliche Parameter« festgelegt wurden. Für den eigentlichen Architekturwettbewerb waren dann 31 Büros beauftragt worden. Wer eingeladen wird, das entscheidet das Baudezernat von Höing nach eigenen Kriterien. Das liegt im Trend. »Die Zahl der offenen Wettbewerbe geht stetig zurück«, sagt Dirk Bonnkirch von Competitionline, einer Plattform für Architekturwettbewerbe. Neunzig Prozent aller Wettbewerbe seien beschränkt und mit hohen Hürden versehen. »Junge Büros können oft die geforderten Referenzobjekte nicht nachweisen«, sagt Bonnkirch.

 

Nichtsdestoweniger herrscht Konsens, dass sich durch Franz-Josef Höing die Planungskultur in Köln verbessert. »Heute ist es Standard, dass es auch für kleine Bauvorhaben Wettbewerbe gibt«, sagt FDP-Fraktionschef Ralph Sterck, der seit etlichen Jahren auch im Stadtentwicklungsausschuss sitzt. Die Auswahl der Büros lasse zudem »die Handschrift von Franz-Josef Höing erkennen«. Wer sich unter Kölner Architekten umhört, erhält ein ambivalentes Meinungsbild: Einerseits ist von einer »Wünsch-Dir-was-Kultur« die Rede, deren Planungstiefe für die Büros im Wettbewerb finanziell aufwändig sei. Andererseits werden Höings Wettbewerbskultur mit Workshops oder Bürgerbeteiligungen gelobt, ebenso die Internationalität und Qualität der ausgewählten Büros. Ablesbar sei das an Projekten von Büros wie Cobe (Kopenhagen), Caruso St. John (London), Christ & Gantenbein (Basel) oder Sauerbruch & Hutton (Berlin).

 

Höing hat diese Wettbewerbskultur zum Standard gemacht. Das gilt vor allem für die bisher eher hemdsärmelige Zusammenarbeit mit Investoren. Das zeigt sich beim Bürokomplex »Wallarkaden« des Investors Momeni Immobilien am Rudolfplatz. Geschäftsführer ­Andreas Gladisch betont, dass man normalerweise selbst das Architekturbüro aussuche. Es war Höing, der einen Wettbewerb angeregt hatte. Die sechs eingeladenen Büros sind nicht nur eine Mischung aus lokal, national und international, sie vertreten jeweils auch unterschiedliche architektonische Auffassungen. Gewonnen hat Caruso St. John mit einem sehr kompakten, wuchtigen achtgeschossigen Entwurf, der im Vergleich mit den anderen Vorschlägen trotzdem zurückhaltend wirkt. Rücksprünge in den oberen Etagen, die farbliche Gestaltung sowie der zinnenartige Zierrat sollen Elemente der Hahnentorburg aufnehmen. Ob man sich an dem prominenten Ort auch einen prägnanteren Bau hätte vorstellen könne, bleibt angesichts der Besitzverhältnisse dahingestellt. Höing ist es immerhin gelungen, auch den Investor Development Partner, der ebenfalls Immobilien auf dem Areal besitzt, zur Neugestaltung zu überreden.

 

Wettbewerbe und eingeladene Architekturbüros sind aber nur die halbe Miete. Wer gewinnt, entscheidet die Wettbewerbsjury. Sie setzt sich aus Fach- und Sachpreisrichtern zusammen und wird vom Bauherrn bestimmt. »Der Auslober wählt Preisrichter aus, die seine eigenen Interessen vertreten. Die Preisrichter agieren zwar unabhängig, sollen aber ein Ergebnis jurieren, das den Bedürfnissen des Auslobers entspricht«, sagt Jan Schüsseler, zuständig für Vergabe- und Wettbewerbswesen bei der Architektenkammer NRW. Die Kriterien seien dabei weniger ästhetische, als städtebauliche und funktionale. Unbestritten ist, dass in Jurys eine besondere Dynamik entsteht, auch weil die Fachrichter den Sachpreisrichtern, zu denen auch Politiker gehören, die Entwürfe erläutern. Dennoch erfahren Politiker die Kommunikation als offen. So fühlt sich Ralph Sterck »gut beraten« und Gisela Stahlhofen von der Linken spricht von einer »offenen und nicht beeinflussenden Dynamik«. Doch der Zwang zur einstimmigen Entscheidung hat Folgen. »Das führt zu Ergebnissen, mit denen alle zufrieden sind, ohne dass es deshalb die innovativste Architektur hervorbringen muss«, sagt Dirk Bonnkirch von Competitionline. Zu den Gerüchten gehört, dass es eine bundesweite »Jury-Mafia« aus Architekten, Professoren und Baudezernenten gebe, die die Wettbewerbe präge. »Das lässt sich nicht beweisen«, sagt Dirk Bonnkirch. Competitionline wird im Dezember eine Untersuchung zur Zusammensetzung von Jurys veröffentlichen. »Es gibt fünf bis zehn Prozent, die überall immer wieder auftauchen«, sagt Bonnkirch. Auch in Köln. Dazu gehört Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter, der in den Jurys zu Mülheim Süd, Historische Mitte, Parkstadt Süd und Deutzer Hafen dabei war — und den Höing noch aus gemeinsamen Hamburger Zeiten kennt. Auch der Freiraumexperte Gerd Aufmkolk wird gerne eingeladen. Regelmäßig in hiesigen Jurys tauchen Mitglieder von Architektur-Büros auf, die sich durch Projekte, Masterpläne oder Werkstattverfahren städtebauliche Kenntnisse in Köln erworben haben und die offenbar als vermittelnd und prägnant gelten. Es ist ein Netzwerk der üblichen Verdächtigen, doch es taugt nicht zur Verschwörung. Es zeigt eher die Komplexität der Aufgaben, die allerdings offener an die Bürger zu kommunizieren wären.