»München ist hässlich«

Manfred Wegener, Fotoredakteur der StadtRevue, hat die deutschen WM-Stadien fotografiert. Die Bilder sind jetzt im Kölner Sport & Olympia Museum zu sehen.

Felix Klopotek stellt das Projekt vor

Bei einer seiner Erkundungstouren durch das Innenleben der WM-Stadien sei er plötzlich einer Schulklasse über den Weg gelaufen, die eine Führung machte. Und da sei ihm seine besondere Perspektive bewusst geworden. Die Schüler schlichen nämlich geradezu ehrfürchtig durch die Gänge. Da hat der Podolski schon mal geduscht? Der Hitzfeld die Aufstellung durchgesprochen? Und der Ballack sich die Schuhe ausgezogen? Wow. Manfred Wegener hat aber noch nie ein Fußball-Spiel live gesehen, sein Interesse an dem Sport ist gleich null, und der Schauer, der ihn bei den Streifzügen durch die Katakomben überkam, kann also nicht von der Imagination stammen, jetzt gerade auf den Spuren eines Fußball-Stars zu wandeln.
Sondern? Es sind die Details, die jemanden ins Auge springen, der die ihm unbekannten Stadien zuvorderst in ihrer konsequenten Funktionalität wahrnimmt: die VIP-Lounge mit ihrer billig-gekünstelten Gediegenheit oder die endlose Gleichförmigkeit der Stuhlreihen. Ein Gang eines Stadions ist mit Kunstrasen ausgeschlagen, ein Waschraum für die Mannschaften zeigt vier Waschbecken mit vier Seifenspendern, die alle eine rötliche Flüssigkeit enthalten – als wäre das eine Schnellabfertigung für Spieler, die eine Bluttransfusion brauchen. Und dann ist da eine Leinwand für die Werbefilmchen während der Pause, die vom Stadiondach hinab bis kurz übers Spielfeld gesenkt wird und auf der zu Testzwecken eines dieser Filmchen läuft, und auf einmal ist im menschenleeren Stadion eine gigantische weibliche Brust zu sehen.

Ein Blick durchs Weitwinkelobjektiv auf die Leere

Manfred Wegener profanisiert, wirft einen nüchternen Blick, produziert aber keine nüchternen Fotos. Je banaler die Motive sind, desto skurriler das Dargestellte. Weil etwas fehlt: die Massen, die von der Stadionarchitektur schön vorsortiert zu den Plätzen geleitet werden. Der überdimensionale Aufdruck »Fluchtweg«, den Wegener festgehalten hat, macht nur dann Sinn, wenn tatsächlich mehrere tausend Menschen kurz vor der Panik das Stadion verlassen müssen.
Wegener hat ein gebräuchliches Weitwinkelobjektiv genommen, um sich der Perspektive eines alltäglichen Blickes anzunähern. Er verzichtet auf alle visuellen Effekte, das Groteske des leeren Stadions braucht keine Verstärkung. Dabei ist die Architektur der Stadien durchaus unterschiedlich, Leipzig etwa habe ihm gefallen, aber »München ist hässlich, eine blaue Kringelwurst«. Eigentlich steht Wegener, nicht zuletzt als Fotoredakteur der StadtRevue, für eine politisch-engagierte Fotografie. »Man kann aber auch spielen, das Foto für sich stehen lassen«, sagt er und hat also nicht extra nach den brutal kommerziellen Aspekten der Stadionarchitekturen und den Überwachungstechniken zur Kontrolle der Massen gesucht. Das alles ist ohnehin anwesend.
Zunächst war es nur ein Job: Die Redaktion von sport.ard.de brauchte für eine Reportage über die zwölf deutschen WM-Stadien Bildmaterial, Wegener bekam den Auftrag und musste von jedem Stadion »so richtig klassische Panoramafotos« liefern. Nach der Pflicht die Kür: Auf die Panoramen folgte die Suche nach den Details. Ein Detail, vielleicht das wichtigste, sparte er komplett aus: den Fußball.
»Nach zwei Stadien wurde mir klar, was das für eine bizarre Welt ist«, resümiert Wegener, der sich mehr und mehr in die Rolle des Ethnologen versetzt sah. So erklärt sich der Titel der Ausstellung: Yakatoou. Es ist ein Spiel-Ritual südamerikanischer Indianer.

Yakatoou
Eine Fotoausstellung zur Fußball-WM von Manfred Wegener. Deutsches Sport & Olympia Museum, Rheinauhafen 1, Eröffnung: Fr. 10.3., 19 Uhr. Bis 9.6.