Begeben Sie sich zum Rathausplatz

Bekommt Köln ein »Haus der Jüdischen Kultur«?

Ob nach 13 Jahren die Idee reif und der Wille da ist,

hat Ingrid Strobl recherchiert

Wird was lange währt endlich gut? Seit OB Schramma Anfang des Jahres erklärte, er könne sich ein Museum der Jüdischen Kultur auf dem Rathausvorplatz nun doch vorstellen, ist das Projekt wieder Thema – zumindest in den Medien. Kulturdezernent Georg Quander lässt verlauten, er freue sich über den Vorstoß des OB, der Bewegung in die Sache gebracht habe. Er selbst wolle das Haus, und auch genau an diesem Platz. Er könne aber »nur bedingt Anstöße geben«, denn federführend in der Sache ist der Stadtentwicklungsausschuss. Dessen Vorsitzender Karl Klipper wiederum erklärt, er stehe dem Projekt »im Prinzip offen gegenüber«, es gebe aber sehr unterschiedliche Haltungen dazu in der Fraktion. Um etwas Konkretes zu unternehmen, sei es ihm noch zu früh. Er möchte erst einmal die Finanzierung des Projekts gesichert sehen. Und außerdem solle die Stadt keine Entscheidung treffen, bevor nicht die Bürgerinnen und Bürger um ihre Meinung zum Standort befragt worden wären. Anders gesagt: Gehen Sie nicht über Los!

Die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen

Der Vorschlag, ein Haus der Jüdischen Kultur in Köln zu errichten, ist inzwischen 13 Jahre alt. Benedikt Graf von und zu Hoensbroech, Vorsitzender des »Verein zur Förderung eines Hauses und Museums der Jüdischen Kultur«, präsentierte ihn erstmals 1997 im Domforum mit dem schlagenden Argument: Zu der von Seiten der Stadt geplanten historischen »via culturalis« müsse auch eine authentische Präsentation jüdischer Kultur und jüdischen Lebens von der Antike bis heute gehören. Dagegen, würde man meinen, lässt sich nichts einwenden, zumal das Material dafür auf der Straße liegt, oder genauer gesagt, unter dem Rathausvorplatz in der Altstadt: Das mittelalterliche archäologische Ensemble aus Mikwe und Relikten der Synagoge, jüdischer Wohnhäuser und des Hospitals ist einmalig in Europa und schon alleine deshalb Grund genug, eine derartige Rarität angemessen zu zeigen. Darüber hinaus verfügt die Stadt über die größte und bedeutendste Judaica-Sammlung (Zeugnisse jüdischer Geschichte und Kultur) in Deutschland. Während alle anderen jüdischen Museen Exponate ankaufen mussten, stapeln sich im Depot des Stadtmuseums Urkunden, Kultgegenstände und andere historische Kostbarkeiten. Ein Haus der jüdischen Kultur in Köln könnte in einem Ausmaß aus dem Vollen schöpfen, das andere vor Neid erblassen lässt. Und nicht zuletzt ist Köln die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen: Jüdisches Leben und jüdische Kultur gab es hier seit dem vierten Jahrhundert, bis die Kölner »ihre« Juden im 15. Jahrhundert vertrieben. 500 Jahre später mussten die jüdischen Bürgerinnen und Bürger ihre Stadt abermals verlassen; bekanntlich waren nicht alle Kölner traurig darüber. Trotzdem bauten Überlebende nach der Befreiung erneut eine jüdische Gemeinde auf, inzwischen gibt es sogar noch eine zweite, die liberale jüdische Gemeinde.

15 Millionen Euro Kosten

Angesichts all dessen stellt sich weniger die Frage, ob Köln ein Haus der Jüdischen Kultur bekommen sollte, als vielmehr die Frage: Warum gibt es das nicht längst? An Befürwortern fehlt es nicht, es existiert der »Verein zur Förderung eines Hauses und Museums der Jüdischen Kultur«, der das Projekt ins Leben rief und sich weiter um seine Realisierung bemüht. Es liegt auch nicht an den leeren Kassen, denn die Stadt müsste das Haus nicht finanzieren (und das weiß auch die CDU-Fraktion). Der Verein ist überzeugt davon, die 15 Millionen Euro, die für die Kosten veranschlagt wurden, mittels Spenden auftreiben zu können. Für den Erhalt und Betrieb des Hauses soll eine Stiftung eingerichtet werden. Die Stadt müsste lediglich das Grundstück zur Verfügung stellen. Genau hier liegt der größte Stolperstein. Der Verein möchte das Haus auf dem Rathausvorplatz errichten, an dem Ort also, der das Zentrum jüdischen Lebens und jüdischer Kultur im antiken und mittelalterlichen Köln war, und an dem sich auch die archäologischen Zeugnisse befinden. Das aber passt einigen Ratsabgeordneten und Mitgliedern der politischen Fraktionen aus unterschiedlichen Gründen nicht in den Kram. Manche dieser Gründe werden vielleicht lieber nicht laut ausgesprochen, die öffentlich geäußerten Bedenken gehen vor allem dahin, der Platz, den Stefan Kraus vom Diözesanmuseum einmal treffend als »verhübschte Nachkriegsbrache« bespöttelte, könnte durch das neue Gebäude verschandelt werden. Diese Befürchtungen, erzählt Helmut Fußbroich, der Geschäftsführer des Vereins, »haben uns deutlich gemacht, dass wir die verantwortlichen Politiker nicht von unserem Projekt überzeugen werden, solange wir kein Modell vorlegen können«.

Das Modell, entworfen vom Architekten Joachim Schürmann, gibt es inzwischen. Es sieht, so Fußbroich, einen U-förmigen Bau vor, der die Mikwe und die Synagogen-Relikte umschließt. Das Ritualbad würde von einem gläsernen Turm, die Synagoge von einem gläsernen Kubus überdacht, beide wären somit einsehbar, die Mikwe könnte man auch weiterhin begehen. Im Südflügel soll ein Durchstich erfolgen, von dem eine Treppe zum Wallraf-Richartz-Museum führt, das dadurch einen attraktiven Vorplatz erhielte und somit auch das nötige Gelände für die bislang nicht mögliche Außengastronomie. Insgesamt entstünden damit drei »intime Plätze«, das Areal hätte sich seiner ursprünglichen Gestaltung wieder angenähert, das historische Stadtbild wäre »repariert«.

Mehr Interesse als für das Jüdische Museum Berlins

Im September 2002 veranstalteten das Kulturdezernat und der Verein ein Symposium zu den Zielen und Inhalten des Projektes. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren vor allem Museumsmacher aus Köln, aber auch Micha Brumlik vom Frankfurter Fritz-Bauer-Institut und Felicitas Heimann-Jelinek vom Wiener Jüdischen Museum trugen ihre Überlegungen zum Thema vor. Alle waren sich einig, dass Köln ein Haus der Jüdischen Kultur braucht. Weitgehende Übereinstimmung herrschte auch darüber, dass die Präsentation der archäologischen Relikte und der Judaica in der Dauerausstellung nur eine von mehreren tragenden Säulen des Hauses sein sollte. Die jüdischen Gemeinden sehen das ähnlich. Sie befürworten und begrüßen den Plan, ein Haus der Jüdischen Kultur zu schaffen, und sie wünschen sich, es möge, so Benzion Wieber von der Synagogengemeinde, »auch die vielfältigen Ausdrucksformen des heutigen jüdischen Lebens vermitteln«. Ilan Simon, der Delegierte der Synagogengemeinde im Verein, wagt angesichts der »einmaligen Schätze, die es nur in Köln gibt« sogar sich vorzustellen, dass das Kölner Haus noch mehr Interessierte anziehen könnte als das Berliner Jüdische Museum – das inzwischen zum meistbesuchten Museum Deutschlands avancierte. Noemi Raz von der Kölner Liberalen Gemeinde hofft, dass das Kölner Haus sich »gerade auch zeitgenössischen jüdischen Themen« zuwenden werde, einschließlich der Vermittlung aktueller Kunst und Literatur.
Die diversen Anregungen sind mittlerweile in das (vorläufige) Konzept des Vereins eingeflossen. Das Haus der Jüdischen Kultur soll, heißt es in einem internen Papier, »dort, wo sich bis 1424 das jüdische Gemeindezentrum Kölns befand, und in direkter Verbindung mit den in der archäologischen Zone zugänglichen römischen und mittelalterlich-jüdischen Zeugnissen auch die Lebendigkeit des heutigen Judentums verdeutlichen«. Die Stadt müsste nur noch Ja sagen. Was doch gerade auf dem Rathausvorplatz gar nicht so schwer fallen sollte.