»Wir haben zu wenig Einbürgerung«

Hauptschulen, Sprachtests, Fragebögen –

das Thema Integration wird heiß diskutiert. Welchen Weg geht NRW?

Fragen an Integrationsminister Armin Laschet (CDU)

StadtRevue: Herr Laschet, wie kann sich die Hauptschule nach den aktuellen Ereignissen noch als Schulform bewähren?

Armin Laschet: Die Diskussion um die Rütli-Schule in Berlin war von einigen Seiten her wenig sachgerecht. Da finde ich die Forderung, dass man alle Schüler, die Probleme machen, abschieben soll, genauso falsch wie gleich eine grundsätzliche Debatte über das Schulsystem zu starten. Gewalt gibt es an vielen Schulen, nicht nur an der Hauptschule. Es käme niemand auf die Idee, den Erfurter Amokläufer mit dem Gymnasium in Verbindung zu bringen. Unser Ansatz ist es, die Hauptschule besser zu machen. Deshalb hat sich die Schulministerin zum Ziel gesetzt, mehr Lehrer in die Hauptschule zu bringen, mehr Ganztagesangebote und auch andere Hilfen wie Sozialpädagogen anzubieten, um die Hauptschule eben nicht zur Restschule zu machen.

Werden also künftig Sozialpädagogen verbindlich an Hauptschulen arbeiten?

Nein, aber es gibt das Angebot des Landes, hierfür 250 neue Stellen zu schaffen, die bisher nicht vorgesehen waren und jetzt im neuen Schulgesetz und im neuen Haushalt vorgesehen sind. Und die muss man da einsetzen, wo Brennpunkte sind.

Wie sachgerecht ist Stoibers Forderung, jedes Kind müsse Deutsch sprechen, bevor es in die Schule kommt?

Ja, das waren schon große Worte, als er sagte: Jedes Kind, das in die Schule kommt, soll Deutsch sprechen, und wir führen Deutschtests im Alter von fünf Jahren durch. Wir machen das in Nordrhein-Westfalen aber schon ab vier Jahren. So dramatisch ist es also gar nicht, was die Bayern da beschlossen haben – abgesehen von der Frage, was dann mit dem Kind ist, das es nicht schafft. Aber dass man Sprache vor der Schule testen und Kinder fördern muss, ist eine völlig normale Forderung.

Gilt das auch für die Forderung, diejenigen, die den Test nicht bestehen, auf Förderschulen zu schicken?

Diese Kinder brauchen nicht auf eine Förderschule, aber sie brauchen eine besondere Förderung. Das ist doch klar: Wenn das Kind sechs Jahre alt ist und dem Unterricht nicht folgen kann, ist es benachteiligt. Wir müssen die Eltern mit in die Pflicht nehmen, dass sie dem Kind helfen, die Sprache zu lernen.

Sprachförderung soll ein Schwerpunkt Ihrer Politik in NRW sein. Warum werden dann gerade hier die Mittel gekürzt?

Aber dort wird nicht gekürzt. Trotz Haushaltskürzungen in allen Bereichen ist die Sprachförderung von 7,5 auf 15,6 Millionen Euro schon im Jahre 2006 verdoppelt worden. Da setzen wir ausdrücklich einen Schwerpunkt. Die Kürzungen hat es im Bund gegeben. Das liegt aber daran, dass mit dem Zuwanderungsgesetz weniger Menschen gekommen sind, als man gedacht hat.

Sie haben in Interviews gesagt, Deutschland brauche Zuwanderung. Ein Standpunkt, der nicht unbedingt von allen CDU-Parteikollegen unterstützt wird.

Bisher hat mich noch niemand in meiner Partei dafür kritisiert. Ich habe aber gesagt, wir brauchen mehr Einbürgerung, das ist etwas anderes als mehr Zuwanderung. Die Zahl der Einbürgerungen geht zurück, und wir haben in der Fragebogendebatte so diskutiert, als hätten wir zu viele Einbürgerungen und müssten mit Fragebögen die richtigen noch herausfiltern. Die Realität ist: Wir haben zu wenig Einbürgerung. Und es bleiben zu viele in der Parallelgesellschaft und sagen nicht: »Ich bin bereit, Deutscher zu werden«.

Jeder Vierte in NRW hat einen Migrationshintergrund. Was halten Sie von einem Migrationsmuseum in Köln, das nun schon seit Jahren diskutiert wird?

Die Idee ist gut. Migrationsgeschichte ist Bestandteil der deutschen Nachkriegsgeschichte. Wenn sich die 25 Prozent hier aufgehoben fühlen und diese Gesellschaft als die ihre annehmen sollen, muss sich das auch im Geschichtsbewusstsein widerspiegeln. Man kann nicht nur Napoleonische Kriege lernen. Die Geschichte unseres Landes ist immer auch eine Geschichte der Zuwanderung gewesen.

Sie sind auch Vorsitzender des CDU-Bundesfachausschusses Internationale Zusammenarbeit und Menschenrechte. Sollten in Deutschland geduldete Flüchtlinge nicht anerkannt und eingebürgert werden? Immerhin erhalten nur zwei Prozent ein Bleiberecht...

Das ist eine Diskussion, die bereits stattfindet. Wir haben viele, viele Einzelfälle, wo hochgebildete Schüler, die perfekt Deutsch sprechen, kurz vor dem Abitur stehen und dann abgeschoben werden. Und andere holt man mühsam rein und bringt ihnen Deutsch bei. Da sehe ich eine gewisse Unlogik. Und deshalb setzt sich Nordrhein-Westfalen für eine Bleiberechtslösung ein. Der Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat ebenfalls angekündigt, dass er das zum Thema machen will. Ich glaube, in dieser Frage und im Amt wird er flexibler sein als sein Vorgänger. Ich hoffe, dass wir dieses Jahr eine Bleiberechtsregelung bekommen.


ZUR PERSON Armin Laschet, 45, ist seit 2005 Minister für Generation, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Der CDU-Politiker hat Jura studiert, war als Journalist tätig und begann seine politische Karriere in den 80er Jahren in Aachen. Er war Mitglied des Bundestages und des Europaparlaments, seit 2000 ist er Vorstandsmitglied der Europäischen Volkspartei (EVP).