Weniger Jobs, mehr Urbanität

Nach dem Abzug von Allianz und Gerling soll das Friesen­viertel komplett neu gestaltet werden

»Man verteilt schon das Gelände, und die Kollegen kämpfen noch um ihre Arbeitsplätze!« Jörg Detjen gehört im Kölner Rat nicht zu den Leisetretern, aber so laut hatte man den Fraktionschef der Linkspartei selten erlebt: In der Ratssitzung am 29. August wurde erneut über Allianz und Gerling debattiert. Aber nicht über die Arbeitsplätze, die verloren gehen (siehe StadtRevue 8/06), sondern darüber, wie es nach dem Abzug der Versicherer im Friesenviertel stadtplanerisch weitergehen soll. Für Detjen schlicht »zynisch«.

»Nicht sonderlich gut«

Bei der Allianz wird noch verhandelt. 1800 Stellen will der Konzern in Köln streichen. Die Mitarbeiter wollen 100.000 Unterschriften gegen die Pläne ihrer Chefetage sammeln, 35.000 sind es schon. »Wir sind guten Mutes, Ende September alle Unterschriften beisammen zu haben«, sagt Allianz-Betriebsrat Wolfgang Tesch. Dass das Friesenviertel schon neu konzipiert wird, während »wir noch über Standortsicherung und Zeitschienen verhandeln«, findet Tesch »nicht sonderlich gut«.
Gerling konnte man zwar in Köln halten, aber das vom Konkurrenten Talanx aufgekaufte Unternehmen verlässt das Friesen­viertel und zieht Anfang 2008 in die Deutzer Rheinhallen. Etwa 800 Stellen will Gerling/Talanx in Köln abbauen, doch durch die bundesweiten Umstrukturierun­gen werden auch Stellen nach Köln verlagert.
Auch Barbara Moritz, Fraktionschefin der Grünen im Rat, sind die Neugestaltungspläne zum jetzigen Zeitpunkt »unangenehm«, doch sie verteidigt das Vorgehen: weil der Umzug von Gerling/Talanx aus dem Viertel längst feststeht, und weil die Stadt danach sofort handeln müsse. Das Friesenviertel steht vor einem Umbruch, der vergleichbar ist mit der Neugestaltung des Stollwerck-Geländes in den 80er Jahren oder dem Bau des Mediaparks. Das Viertel soll einen Mix aus Wohnen, Arbeiten und Einzelhandel verpasst bekommen.

»Ein wunderbares Geschenk«

Bei der Kölner Industrie- und Handelskammer (IHK) denkt man im ganz großen Stil. Präsident Paul Bauwens-Adenauer sammelt derzeit bei der Kölner Wirtschaft 500.000 Euro, damit ein »Masterplan« für die gesamte links­rheinische Innenstadt bis zum Eisenbahngürtel erstellt werden kann. Den Auftrag bekommt das renommierte Frankfurter Büro Albert Speer & Partner (AS&P). Der Stadthaushalt würde lediglich mit 100.000 Euro für die Durchführung einer moderierten Bürgerbeteiligung belastet. Für Stadtplanungsdezernent Bernd Streitberger (CDU) »ein wunderbares Geschenk«.
Auch SPD, Grüne, CDU und FDP im Rat unterstützen das Engagement, zumal das Konzept nicht verbindlich wäre. Jörg Detjen befürchtet hingegen »ein den Interessen der Kölner Privatwirtschaft verpflichtetes Planwerk«. Streitberger kann die Kritik nicht nachvollziehen: »Wir brauchen diesen städtebaulichen Masterplan.« Eine erste »Grobstruktur« für das weitere Verfahren soll nächstes Frühjahr stehen.