Liz und wie sie die Welt sieht

»Eleanor Rigby« heißt Douglas Couplands neuester und bislang bester Roman

 

Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Figuren eines Autors mit ihm altern. Im Falle von Douglas Coup­land aber, dessen erster Roman »Generation X« vor 15 Jahren einer ganzen Generation ihren Namen gab, bekommt dieser Umstand ein fast schon soziologisches Gewicht: Seine Bücher werden immer auch daraufhin gelesen werden, was sie über die Entwicklung jener Generation sagen, der 60er und 70er Jahrgänge also.

»Eleanor Rigby«, sein jetzt auf Deutsch erschienener Roman aus dem Jahr 2005, forciert diese Lesart zunächst noch. Das Leben von Liz Dunn, der Erzählerin, stellt so etwas wie die Schwundform einer Slacker-Exis­tenz der 90er Jahre dar: Die einstige Abhängerei findet nun im Rahmen eines langweiligen Büro­jobs statt, Freunde hat sie keine, und ihr einziges Vergnügen besteht in ausgedehnten Video­abenden mit »Bambi, Zeit der Zärtlichkeit« und »Die Gärten der Finzi-Contini«. In diese Tristesse platzt eines Tages ihr Sohn hinein, den sie seit seiner Geburt nicht mehr gesehen hat. Vor zwanzig Jahren hat sie Jeremy, die Folge einer Klassenfahrt nach Europa, zur Adoption freigegeben, nun wird sie unvermittelt an sein Kranken­bett gerufen, denn: Jeremy hat MS.

Rührstück? Kitsch? Keine Bange: Coupland hat mit Liz Dunn eine überaus komplexe Figur geschaffen, die solchen Vereinfachungen keinen Raum lässt. Außerdem ist die unverhoffte Familienzusammenführung nur der Beginn einer Geschichte, die diverse Haken schlägt und schließlich zu einem Ende führt, das selbst als Anfang einer neuen Geschichte gelesen werden kann. Sowohl von der Figurenanlage als auch von der Komposition des Romans her darf »Eleanor Rigby« deshalb als das bislang beste Buch Couplands gelten (zusammen mit »Hey Nostra­damus«, seiner fiktionalen Annäherung an das Littleton-Massaker, die sein deutscher Verlag doch bitte bei Gelegenheit nachreichen möge!).
Im Laufe der Lektüre gewinnt der Roman eine emotionale Wucht, die umso stärker ist, da sie weder durch irgendwelchen sprachmächtigen Pomp noch durch betonte Cleverness erzielt wird. Der Autor tritt ganz hinter seine Erzählerin zurück und schafft eine Intimität der Wahrnehmung, die beim Lesen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verwischen lässt. Das ist eine Kunst, die alle rein soziologischen Fragen überschreitet, ohne deshalb weniger politisch zu sein. Vom Sprachrohr einer Generation hat sich Douglas Coupland längst zu einem Autor entwickelt, der wie kaum ein anderer die Ungerechtigkeit und Schönheit des Lebens zu schildern weiß.

Douglas Coupland: Eleanor Rigby.
Aus dem Amerikanischen von Tina Hohl, Hoffmann und Campe, Hamburg 2006, 272 S. 18,95 €