Foto: Manfred Wegener

Unbefugte Lebensrettung

Der Kölner Journalist und Ex-Chef von Cap Anamur, Elias Bierdel, hat ein Buch geschrieben. Und steht in Sizilien vor Gericht.

Wer sich die Geschichte von Elias Bierdel erzählen lässt, braucht Zeit. Zwei Jahre hat er nichts gesagt, und die Geschichte ist in den Archiven der Zeitungen und Sender nach hinten gerückt. Aber jetzt ist sie wieder da.

Im Sommer 2004 stand der damalige Chef der Kölner Hilfs­organisation Cap Anamur plötzlich im Fokus des Medieninteresses: Mit 37 schiffbrüchigen afrikanischen Flüchtlingen an Bord lag die Cap Anamur, das Schiff der Hilfsorganisation, wochenlang auf dem Mittelmeer fest – bevor der Kapitän den Notstand ausrief und Porto Empedocle auf Sizilien anlief. Die 37 Flüchtlinge wurden sofort abgeschoben, Bierdel vor Ort für fünf Tage inhaftiert. Deutsche Medien warfen ihm unterdessen vor, er habe die Rettungsaktion als PR für Cap Anamur inszeniert.

Am 27. November beginnt nun auf Sizilien der Prozess gegen Bierdel, Kapitän Stefan Schmidt und den ersten Offizier Vladimir Daschkewitsch. Seit klar ist, dass es wirklich zu dem Verfahren kommt, hat Bierdel sein Schweigen gebrochen, zu dem ihm sein Anwalt geraten hatte. In einem Buch erzählt er die Geschichte der Rettungsfahrt.

»Seit ich darüber öffentlich reden kann, geht es mir besser«, sagt Bierdel. Die Häme, die ihm vor zwei Jahren aus vielen Medienberichten entgegenschlug, sei heute verschwunden, die Vorwürfe von damals machten ihn trotzdem etwas ratlos. Bierdel ist selbst Journalist, hat unter anderem als Korrespondent für die ARD gearbeitet. Manche Reaktionen auf das Cap-Anamur-Drama, vermutet er, seien Abwehrversuche: »Die Botschaft, dass Tausende von Menschen bei dem Versuch, nach Europa zu kommen, ertrinken, ist natürlich unangenehm – die wird nicht gern genommen.«

Umso intensiver erzählt Bierdel. Zum Beispiel von so genannten Navtex-Schiffsmeldungen über Flüchtlinge in Seenot, die den Schiffen dazu dienen, einen Bogen um die Schiffbrüchigen zu machen: »Selbst die Fischer vor Lampedusa bekommen inzwischen einen Riesenärger, wenn sie Flüchtlinge an Bord nehmen.«

So wie Bierdel und Kollegen. »Bandenmäßig betriebene Schlep­perei in einem besonders schwe­ren Fall« lautet die Anklage – darauf stehen zwölf Jahre Haft. »Ganz schön viel für unbefugte Lebensrettung«, sagt Bierdel.

Das Verfahren sei als Abschreckung gedacht. Bierdel ist sicher, dass der Prozess mit einem Freispruch enden wird – fragt sich nur wann. Er würde sich gerne mal wieder mit etwas anderem beschäftigen. Aber noch lässt ihn das Thema nicht los. »Wir generieren die Fluchtgründe doch selbst«, sagt er. Europäische Fischereiflotten vor Afrika, die Agrarsubventionen, der Klimawandel, den Afrika zuerst zu spüren bekommmt. »Deshalb nerven uns die Flüchtlinge ja so furchtbar«, sagt Bierdel. »Sie sind Botschafter der Ungerechtigkeit.«

Elias Bierdel: Ende einer Rettungsfahrt.
Das Flüchtlingsdrama der Cap Anamur. Verlag Ralf Liebe, Weilerswist 2006, 232 S., 19,80 €