Kein Platz für Pantoffeltierchen

Kinderlose AkademikerInnen?

Kein Wunder! Die Kölner Universität

hat fast 50.000 Studierende und gerade mal 18 Betreu­ungs­plätze für ihre Kinder.

Von Thomas Goebel.

Besser geht’s nicht: Paramecium, die Kindertagesstätte der Universität zu Köln, bietet eine kontinuierliche Betreuung von Kindern im Alter von vier Monaten bis zehn Jahren. Sie hat 52 Stunden pro Woche geöffnet, auch in den Ferien, und liegt in der Nähe der Uni. Die Elternbeiträge sind nach Einkommen gestaffelt. Angeboten werden ein offenes Frühstücksbüffet, ein warmes Mittagessen, ein Nachmittagssnack und, wenn gewünscht, ein Abendbrot. Ein breites Sport-, Musik- und Kunstangebot ist Teil des pädagogischen Konzepts, das gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Frühkindliche Bildung entwickelt wurde.

Paramecium hat nur ein Problem: Die Kindertagesstätte gibt es nicht. Sie existiert bisher nur auf dem Papier, als Modellprojekt. Seit dem Jahr 2000 arbeitet die Kölner Universität an den Plänen für eine Betreuungseinrichtung, die Konzepte sind inzwischen detailliert und umfangreich, doch der erste Spatenstich lässt auf sich warten. So können Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Uni wohl nur müde lächeln, wenn sie von den hoch gesteckten Zielen der Einrichtung lesen wie etwa der »frühen naturwissenschaftlichen und mathematischen Bildung«. Ihre Realität sieht anders aus: Sie finden keinen Betreuungsplatz für ihr Kind – sei er mit oder ohne Matheunterricht.

»Die Situation in Köln ist miserabel«, sagt Astrid Holler. Sie studiert im fünften Semester Gesundheitsökonomie und berät im Sozialreferat des AStA regelmäßig Studierende. Etwa zehn Prozent der Studentinnen und Studenten in Köln sind Eltern. »Es gibt einfach kaum Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren, weder an der Uni noch in städtischen Einrichtungen«, sagt Holler. Ist ein Kind drei Jahre oder älter, haben die Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Aber bis dahin? »Viele helfen sich gegenseitig und betreuen Kinder von andern mit.«

Was bleibt ihnen auch übrig, wenn sie ihr Studium fortsetzen wollen? An der Kölner Uni fehlt es am Nötigsten – trotz aller Diskussionen über kinderlose AkademikerInnen. Eine einzige Einrichtung für die Kinder der Uni-Studenten gibt es offiziell: »Uni-Kids«, die Kindertagesstätte des Kölner Studentenwerks. 18 Betreuungsplätze für Kinder von ein bis drei Jahren hat die Kita zur Verfügung. 18 Plätze – für die größte deutsche Universität mit fast 50.000 Studierenden. Und auch diese Zahl ergibt sich nur durch so genanntes »Platz-Sharing«, erklärt Gudrun Schindler, die Leiterin von »Uni-Kids«: Jedes Kind darf maximal an drei Vormittagen pro Woche kommen, für insgesamt zwölf bis 15 Stunden. Nachmittags ist die Einrichtung geschlossen. Trotzdem stehen regelmäßig achtzig bis 100 Kinder auf der Liste, die Wartezeit beträgt ein Jahr. »Viele Frauen kommen schon zur Anmeldung, wenn sie schwanger sind«, sagt Schindler.

Irmtraud Hnilica erwartet für Dezember die Geburt ihres Kindes. Die 27-Jährige ist im Sommer mit ihrem Mann von Freiburg nach Köln gezogen, sie schreibt ihre Doktorarbeit in Germanistik und arbeitet an der Uni als Wissenschaftliche Hilfskraft. Die Betreuungssituation in Köln hat sie einigermaßen schockiert. »15 Stunden Betreuung pro Woche – so kann man nicht vernünftig promovieren«, sagt sie. Vor allem, wenn man nebenbei noch arbeitet. »Ich wusste aus Freiburg, dass es dort Ganztagsbetreuung gibt und bin naiv davon ausgegangen, dass das in Köln auch so ist.«
In Freiburg gibt es an der Uni eine Babykrippe für Kinder von zwei bis 18 Monaten und eine Kita. Dazu kommt eine Krabbelstube des Freiburger Studentenwerks mit sechzig Plätzen. Alle Einrichtungen haben vor- und nachmittags geöffnet.

Irmtraud Hnilica hofft jetzt, bei einer Kita irgendwo in Köln einen Platz für ihr Kind zu bekommen, so dass sie relativ bald nach der Geburt wieder arbeiten und an ihrer Doktorarbeit weiter schreiben kann. Die Chancen stehen allerdings nicht sonderlich gut. Auch die städtischen Einrichtungen sind voll. »Wenn das nicht klappt, bleibt kurzfristig nur eine Tagesmutter«, sagt Hnilica, »und das kostet.«
»Studierende haben meist kein Geld für eine Tagesmutter«, sagt Astrid Holler. Um die Situation zu verbessern, plant der AStA inzwischen die Selbsthilfe: Über eine Internet-Plattform wollen Studierende die Betreuung ihrer Kinder selbst organisieren – zumindest stundenweise. Wer Zeiten übernimmt, bekommt Bonuspunkte, die er dann wieder für die Betreuung seines Kindes durch andere Studenten verwenden kann.

Geld und Betreuung – das sind die großen Themen beim Studieren mit Kindern. »Wer im Studium ein Kind bekommt, muss sein Leben neu ordnen«, sagt Cornelia Teppe, Sozialberaterin des Kölner Studentenwerks. Vor allem Alleinerziehende und Studierende, die nebenbei arbeiten müssen, haben es schwer: Studium, Job und Kind sind allein kaum zu vereinbaren. Zumal, wenn der Druck wächst. »Durch die Studiengebühren hat sich die Situation verschärft«, sagt Teppe, »und durch die neuen Bachelor-Studiengänge auch: Alles wird verschulter.« Angebote für ein Teilzeit-Studium fehlen.

Und warum bietet das Kölner Studentenwerk selbst nicht mehr Kinderbetreuung an? »Unsere Bemühungen sind immer wieder gescheitert«, gesteht Teppe. Erst kürzlich habe man eine ehemals katholische Einrichtung übernehmen wollen – »aber die Stadt hat einem anderen Träger den Zuschlag erteilt, der wohl mehr Geld hatte.« Immerhin gebe es einen Vertrag mit der städtischen Kindertagesstätte Weyertal, die bevorzugt Kinder studierender Eltern aufnimmt.

Wann steht die neue Uni-Kita? »Seien wir optimistisch:
in zwei Jahren.«


»Eine Katastrophe« sei es, sagt Astrid Holler, dass die Kölner Uni insgesamt so wenig auf studierende Eltern eingestellt sei: »Ich persönlich denke, das Studium wäre eigentlich eine gute Zeit für ein Kind.« Sie erzählt von einer Freundin, die während ihres Medizinstudiums in Leipzig zwei Kinder bekommen hat: »Sie und ihr Partner haben jeweils für ein halbes Jahr pausiert, und mit einem Jahr sind die Kinder in die Kita gegangen.«

Davon ist Köln weit entfernt. Ende Oktober hat der Senat der Universität immerhin beschlossen, dass das Modellprojekt Paramecium Wirklichkeit werden soll. Für die Kita wird die Uni sogar auf ein neues Gäste­haus verzichten, der »Verein der Freunde und Förderer der Universität zu Köln« wolle außerdem eine Summe »im gehobenen sechsstelligen Bereich« dazugeben, erklärt Patrick Honecker, Pressesprecher der Kölner Universität.

Schlechte Kinderbetreuung, so habe man bemerkt, schade auch dem Image der Uni, gerade bei der Werbung um exzellente Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler, die Besseres als die Kölner Situation gewöhnt sind. Dreißig Plätze sollen in der neuen Einrichtung entstehen. Es laufen außerdem Gespräche mit der Stadt, wenn die noch Geld dazugibt, könnten es mehr werden. Und wann steht die Uni-Kita? »Seien wir optimistisch«, sagt Honecker, »in zwei Jahren.«

Eine weitere Entscheidung hat der Senat übrigens auch schon getroffen: Der Name Paramecium soll gestrichen werden. Das lateinische Wort bedeutet Pantoffeltierchen, das fanden die Mitglieder irgendwie nicht kindgerecht. Auf einen neuen Namen konnte sich das Gremium allerdings noch nicht einigen.

Infos und Kontakt

www.koelner-studentenwerk.de
www.asta.uni-koeln.de
www.uni-koeln.de/kita-paramecium