Foto: Manfred Wegener

Belgisches Viertel Vol. 2.0

Die Eröffnung der luxuriösen »Spichernhöfe« ist erst der Anfang

Vom Belgischen Viertel ist man ja einiges gewohnt. Erst wurde das Gründerzeit-Karree rings um den Brüsseler Platz Ende der siebziger Jahre von den seinerzeit noch orange umschleierten Bhag­wan-JüngerInnen entdeckt. Die ökonomisch gut organisierte ­Sek­te benötigte für ihr europäisches Hauptquartier Wohnun­gen, Schu­lungsräume und Werkstätten. Die Aufwertung des ­Veedels, von Stadtsoziologen auch »gentri­fication« genannt, begann mit Nachdruck.

»Kreativität und Lebensqualität«

Block für Block der teilweise gut erhaltenen Altbau-Substanz im ansonsten schwer kriegszerstörten oder mit Beton verschandelten Stadtkern wurde schick saniert. Rustikale Ateliers oder auch Literaten-Kaschemmen ver­schwanden, darunter die legendäre Wohnung des Wolf-Dieter-Brinkmann-Kumpels Ralf Rainer Rygulla direkt an der Brüsseler Straße. Einstige Hippie-WGs mu­tierten zu parkettglänzenden Residenzen für die schicke, neue Mieterklientel der damals boomenden Medienstadt. Platten-, Mode- und Designläden folgten. Auch der StadtRevue-Verlag hatte schon Mitte der Achtziger ein Hinterhofgebäude in der Maastrichter Straße bezogen.

Die KölnKunst-Explosion sorgte wiederum für die inter­nationale Reputation des »Belgischen«. Kurzum: Binnen eines Jahrzehnts war ein Veedels-Mix voller Weltgeist und Coolness entstanden, fußläufig dazu wie das West Village in New York samt Dorfplatz und Frittenbude. Erstaunlich eigentlich, dass sich das auf den Immobilienseiten der FAZ beschworene »Flair aus Kreativität und Lebensqualität« bis hinein in die Nullerjahre halten konnte. Lagen doch die Mieten pro neu vermietetem Quadratmeter längst jenseits der Zehn-Euro-Schallgrenze. Teuer, aber trotzdem nicht tot zu kriegen, hätte ein bis Ende 2006 gültiger Slogan lauten können.

Neues Upgrade steht bevor

Doch im neuen Jahr steht ein erneutes upgrading des Quartiers bevor. Baustellen-Schilder an der Antwerpener, Maastrichter oder Brüsseler Straße künden einen Trend zu luxuriösen »City-Residences« an, welche die vielerorts noch gewerblich genutzten Block-Innenhöfe betreffen. Statt Auto­werkstätten finden sich hier künftig Reihenhaus-Siedlungen en miniature hinter automatischen Rollgittern. Dabei wütet der Aufwertungs-Geist längst außerhalb des eigentlichen Viertels: Auch die angrenzenden Straßenzüge werden von den Immobilienstrategen mit dem wohlfeilen Marketingbegriff »Belgisches Viertel« entwickelt.

Aktueller Coup der nächsten Dimension am äußeren Rand des Viertels: die Eröffnung der »Spichernhöfe« zwischen Spichern- und Kamekestraße. Edle Materialien, bereits eingezogene Ankermieter aus dem Agenturwesen, eine architektonisch durchaus ge­lungene Fusion aus altem Backstein und neumodischen HighTech-Elementen. Der Bezug zu den »Hackeschen Höfen« in Berlin oder dem Nobel-Revier »Fünf Höfe« in der zentralen Münchener Innenstadt ist durchaus erwünscht.

Integriertes Edelfress-Konzept

Eine gefühlte Ewigkeit lang war der Bürgersteig in Höhe der Haus­nummern 6 bis 10 nur mit Mühe zu passieren gewesen. Schräg gegenüber vom »Stadtgarten«-Bier­garten schienen Betonmischer, Hohlblockbausteine und Mate­rialcontainer zu einer für Anwohner und Passanten gleichermaßen lästigen Dauerinstallation versammelt. Während neue Bürohochhäuser in Rekordzeiten hochgezogen wurden, fragte sich manch interessierter Bürger kopf­schüttelnd: Was passiert hier nur?

Seit dem gerade beendeten Designer-Marathon »Passagen« zur Möbelmesse 2007 darf man sich nun schlauer schätzen. Neben italienischem Edeldesign von Boffi & Co im Vorderhaus und dem Kölner Showroom des Licht- und Lampen-Designers Thomas Grau im Innenhof wartet künftig eine Gourmet-Markthalle auf gut betuchte Kunden. »Nuancierter Lockstoff im Zaubergarten der Inspiration: die neue frische Markt-Gastronomie« heißt es auf der Website der »Spichernhöfe« zum integrierten Edelfress-Konzept. Schon die Wortwahl lässt vermuten, was auf das oftmals als wenig kultiviert und wurstig gescholtene Kölner Publikum zukommt. Ein städtebauliches Kleinod mit allem Piff und Paff, das aus einer vormals unspektakulären städtischen Ecke ein überregionales Pilgerziel machen wird.

»gen­trification Vol. 2.0«

Man könnte auch sagen, das Schöne daran ist das Teure darin. Oder umgekehrt. Hier vollzieht Köln Entwicklungen nach, die andernorts längst umgesetzt sind. Und die nun angestoßene »gen­trification Vol. 2.0« ist in vollem Gange. Etwa bei der Aufstockung eines schmucklosen Fünfziger-Jahre-Baus an der Venloer Straße zum Wohn- und Galerienhaus. Auch der zentrale Altbau an der prominenten Ecke Maastrichter/Brabanter Straße – hier residierte bis vor einigen Monaten der einflussreiche »Haus- und Grundbesitzerverein von 1888« – wartet auf eine neue Nutzung. Dass hier Sozialwohnungen entstehen werden, ist eher unwahrscheinlich.