Miete und Moral

In »Little Men« erzählt Ira Sachs vielschichtig von der Gentrifizierung in New York

Der New Yorker Filmemacher Ira Sachs hat mit »Keep the Lights On« und »Love is Strange« zwei herausragende und sehr persönliche Porträts über queeres Leben in seiner Heimatstadt geschaffen. In seinem neuen Film »Little Men« verbindet er nun die Geschichte einer Freundschaft von zwei 13 Jahre alten Jungen mit einer klugen Auseinandersetzung über die Folgen der Gentrifizierung in alteingesessenen Nachbarschaften.

 

Jacob zieht mit seinen Eltern von Manhattan nach Brooklyn, Seine Eltern gehören zu einem linksliberalen Milieu, das sich das Leben in Manhattan eigentlich ohnehin längst nicht mehr hat leisten können. Jacobs Vater Brian ist ein strauchelnder Theaterschauspieler, sein einziges Engagement ist die unbezahlte Rolle in einer freien Inszenierung von Tschechows »Die Möwe«. Seine Mutter Kathy verdient als Psychotherapeutin den Familienunterhalt.

 

Im Erdgeschoss ihres neuen Hauses in Brooklyn ist der kleine Laden der chilenischen Schneiderin Leonor, gespielt von der großartigen Paulina García, die für ihre Rolle in »Gloria« vor zwei Jahren auf der Berlinale als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Dank einer günstigen Miete, die ihr der befreundete verstorbene Großvater von Jacob gewährt hatte, kommt die alleinerziehende Leonor einigermaßen über die Runden. Ihr extrovertierter Sohn und der sensible Jacob freunden sich schnell an und zeigen sehr viel weniger Berührungsängste als ihre Eltern. Zwischen denen kommt es bald zu Spannungen, Jacobs Vater will als frischer Hausbesitzer die Miete um das Dreifache erhöhen, um auch etwas dazu beizutragen, die prekäre Existenz seiner Familie zu entlasten. Und je kindischer sich die Eltern benehmen, umso enger rücken die beiden Jungs zusammen.

 

Mit »Little Men« ist Ira Sachs ein kleines, genau beobachtendes Meisterwerk gelungen, das unaufdringlich und vielschichtig von Ausbeutung und sozialer Ungerechtigkeit erzählt. Er vermeidet dabei sozialrealistische Plattitüden und zeigt, wie sogar eigentlich wohlmeinende Menschen nach unten treten, wenn es um ihren eigenen Vorteil und den ihrer Familie geht. Dass Sachs auch Leonor zu keiner Opferrolle macht, sondern ihre Reaktion auf den drohenden Rausschmiss durchaus ambivalent zeigt, gehört zu den vielen kleinen Details, die diesen Film so außergewöhnlich machen.

 

Little Men (dto) USA 2016, R: Ira Sachs, D: Theo Taplitz, Michael Barbieri, Greg Kinnear, 90 Min. Start: 2.3.