Sie schlugen und sie küssten sich

André Téchiné erzählt in »Mit siebzehn« von ­einer ungestümen Jugendliebe

 

Hinter offener Abneigung verbirgt sich häufig versteckte Zuneigung. Das gilt, so kann man schnell vermuten, auch für die beiden jugendlichen Protagonisten von André Téchinés »Mit siebzehn«. Die Teenager Damien und Tom prügeln sich ständig, und niemand in der Schule weiß so richtig, warum. Damiens Mutter Marianne, eine Landärztin, schlägt bald vor, den Jungen mit maghrebinischen Wurzeln bei sich aufzunehmen, damit dessen schwangere Adoptivmutter ent-lastet wird und der Junge es während des Abiturs nicht so weit zur Schule hat. Sie hofft wohl auch, die pubertäre Feindschaft zu beenden — und ahnt nicht, dass sie eher einer wuchtigen Liebe auf die Sprünge hilft.

 

Der 73-jährige Téchiné gehörte zur zweiten Generation der Nouvelle Vague, und tatsächlich umweht auch seinen neuesten Film eine erzählerische Freiheit, die eher selten geworden ist im Kino. Stetig treibt »Mit siebzehn« nach vorn, bleibt aufmerksam und neugierig auf alles, was in seiner Welt passiert, betritt auch mal Nebenpfade, und kommt doch immer wieder auf Damien und Tom zurück. Deren Beziehung ist im spannendsten Sinne prekär, durchzogen von jugendlichem Ungestüm und pubertärer Verwirrung, aber auch vom Wissen um die Erwartungen der Gesellschaft an werdende Männer. Dass es Téchiné gelingt, dieses so brüchige wie intensive Begehren in die filmische Form zu übertragen, ist auch das Verdienst von Co-Autorin Céline Sciamma, die nach ihrer eigenen Jugend-Trilogie (zuletzt »Girlhood«) so etwas wie eine Expertin auf dem Gebiet jugendlicher Sexualität ist.

 

»Mit siebzehn« ist auch ein großartiger Winterfilm. Die bergigen Wälder der französischen Pyrenäen erscheinen dabei weniger zeitlos und erhaben denn als queere Western-Utopie. Dick bemantelt stapfen Damien und Tom durch den Schnee hintereinander her, das verabredete Prügel-Duell inszeniert Téchiné in einer liebevollen Totale, wohlwissend, dass es hier nicht um Gewalt, sondern um Anziehung geht. Und in einer nachtblauen Szene entledigt sich Tom seiner Kleider und springt in einen Bergsee. Dass auch Marianne, deren Ehemann als Pilot bei der französischen Luftwaffe nur als Skype-Gesicht in Erscheinung tritt, von diesem Jungskörper träumt, setzt den Film von ähnlich angelegten Arthouse-Streifen ab, in denen einer solch gutmeinende Erwachsenen-Instanz wohl kaum eigene erotische Interessen zugestanden würden.

 

Mit siebzehn (Quand on a 17 ans) Frankreich 2016. R: André Téchiné, D: Kacey Mottet Klein, Corentin Fila, Sandrine Kiberlain. 116 Min. Start: 16.3.