Tanz den Donald Trump

Populismus und Postmoderne — wie Phoenix aus der Asche sind

die Ultra-Provokateure Laibach plötzlich wieder aktuell

Hätten sie nicht prima zur Inauguration von Donald Trump spielen können? Auf diese Frage gab es keine Antwort. Laibach schweigt. Die slowenische Band ist bekannt für ihr kryptisches Auftreten, das gilt offenbar auch für verabredete Interviews. So muss man also selbst nach einer Antwort suchen. Aller Wahrscheinlichkeit nach hat die Trump-Mannschaft Laibach nicht gefragt, ob sie bei den Feierlichkeiten zur Inthronisierung Trumps spielen wollen, aber ein Auftritt hätte vermutlich gut gepasst. Um das zu verstehen, muss man sich Laibachs Aktivitäten der letzten Jahre etwas näher anschauen.

 

Beginnen wir mit dem Jahr 2014. In diesem Jahr gedachten Laibach mit der Veröffentlichung »1 VIII 1944. Warszawa« dem Warschauer Aufstand. Unterstützt und finanziert wurde das Projekt vom Nationalen Zentrum für Kultur in Polen sowie vom polnischen Ministerium für Kultur und nationales Erbe. Sie singen auf der Platte neben der jiddischen Partisanenhymne »Zog nit keyn mol« und einem polnischen Abgesang auf die Kindersoldaten der Heimatarmee Armia Krajowa das Cover eines Stücks von Marika Rökk. Darin heißt es: »Geht dir nicht alles genau / Wie du’s wünschst, nehm es hin, / Irgendwo hat jedes Ding / Seinen Grund und seinen Sinn. / Weißt du auch manchesmal / Weder ein noch aus, / Nimms nicht allzuschwer, / Mach dir nichts daraus«. Der strammbeinige Revuestar des NS-Durchhaltekinos sang diese Zeilen 1944 in einem Operettenfilm und sorgte in den Kriegsjahren in Nazi-Deutschland für »gute Laune« (Sven Väth). Während sich die Deutschen im Kino also die schlechte Laune von der Rökk wegzaubern ließen, wurde die Warschauer Zivilbevölkerung niedergemacht. Der Widerstand brach zusammen, nachdem Wehrmacht und SS-Einheiten zigtausende Menschen ermordet und die Stadt dem Erdboden gleichgemacht hatten.

 

2014 ist auch das Jahr, in dem die slowenische Künstlergruppe eine »The New Cultural Revolution« genannte Konzertserie in Hong Kong veranstalteten und ein Seminar an der dortigen City University hielten. Sie sangen eines ihrer ersten Coverstücke aus dem Jahr 1984, ein Propagandalied aus dem sozialistischen Jugoslawien, und die Nationalhymnen Englands und Chinas in der defätistischen Interpretation ihres 2006er-Albums »Volk«, ihrem letzten Meisterwerk. 2015 folgten eine Tour durch die U.S.A. unter dem Titel »Occupy America« und einige selbstfinanzierte Konzerte in Nord-Korea. Der Auftritt in dem autokratischen Regime brachte Aufmerksamkeit. Die Süddeutsche Zeitung sprach von einem »der irrwitzigsten Kunstprojekte überhaupt: Die wahrscheinlich immer noch provokativste Band der Welt an den ironiefreisten Ort der Erde zu bringen, (...) das ist gelungen.«

 

Das 1980 gegründete Künstlerkollektiv hat tatsächlich in den letzten Jahren wieder eine ungeahnte Relevanz erlangt. Das ist angesichts ihrer Anti-Musik mit blechernen Fanfaren, billigen Bums-Beats und dem Nicht-Gesang von Milan Fras, der sich anhört, als hätte er einen Sack Nägel verschluckt, erstaunlich. Bis in die 90er waren Laibach eine monströse Irritation. Oszillierend zwischen Industrialband, Kunstanarchisten und Kampftruppe, zwischen Schwarzer Brigade, Dada und Throbbing Gristle, war die Verunsicherung des Mainstreams und vor allem der Linken groß. Man ging man auf Distanz.

 

Neben dem Vorwurf des Kryptofaschismus ließ auch der Laibachsche Verweis auf Analogien zwischen Faschismus und Sozialismus die westliche Linke zurückschrecken. Doch Ende der 90er ließ das Interesse nach, ihre Musik wurde immer mehr zu einer plastenen Parodie eines grausigen Propagandapop mit Peinlichkeitsgarantie. Das war zwar durchaus auf der Linie ihrer künstlerischen Mission, verprellte aber die Fans der ersten Stunde, die Laibach auch als Protagonisten der Industrial-Szene verstanden. Spätestens mit den durch das Internet weltweit zugänglichen Hintergrund-Informationen zum Kollektiv vollzog sich zudem eine Entzauberung. Der Nazi-Vorwurf blätterte. Die Band, die in ihrer Mimikry immer extremer sein wollte als ihre totalitären Vorbilder, schien zudem angesichts des »Scheiterns des real-existierenden Sozialismus« und dem Abflauen faschistischer Gewalt nach der Jahrhtausendwende in die Beliebigkeit abzudriften.

 

Mit der Weltlage hat sich nun auch ihr Status geändert. Die Band, die das Verdrängte, die totalitäre Kehrseite der politischen Vernunft an die Oberfläche der Gegenwart holt, hat plötzlich Konjunktur. Und ihre Mittel könnten nicht zeitgemäßer sein. Bei Laibach tritt an die Stelle der klassischen Kritik die Über-Identifikation. Ähnlich einer vulgarisierten Form des zurzeit angesagten Akzelerationismus (»Postkapitalismus«) geht es ihnen darum, das System zu bejahen und seine Dynamiken zu beschleunigen. Wenn man davon ausgeht, dass es kein Außen des Systems mehr gibt, die Kritik also systemimmanent agiert und dabei systemerhaltend wirkt, muss ein Impuls der Veränderung von eben dort kommen, aus der Mitte des Systems selbst. In der Hyperbolie des Totalitären liegt die systemsprengende Kraft, so das Laibachsche Kalkül. Die Über-Identifikation funktioniert einerseits als aversiver Panzer, als Schutzmechanismus gegen Definitionsversuche. Und andererseits als Selbstradikalisierung und Aneignung des Stigmas. Der Grusel muss bestehen bleiben, jedes Zugeständnis in Richtung Ironie würde die eigene Position untertreiben.

 

Inwieweit mit dieser Strategie auch smarte Demokratien oder nur plumpe Diktaturen unterwandert werden können, ist eine entscheidende Frage. Trumps Amerika hat sich zwischen den Polen noch nicht entschieden. Der Umgang mit einem künstlerischen Phänomen, wie Laibach es verkörpert, könnte Aufschluss darüber geben, wohin sich (nicht nur) die USA
entwickeln.

 

 

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