Energetisch: "Siebzehn" von Monja Art

Internationales Frauenfilmfestival

Immer wieder ergreift und verliert die Regisseurin Su Friedrich die Kontrolle, ein aufreibender Kampf, der jedem Einzelbild ihrer Filme anzusehen ist. Im Experimentalessay »The Ties That Bind« von 1985 befragt die Amerikanerin ihre Mutter zu ihren Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg in Deutschland und bringt parallel zu den Antworten ihre eigenen Fragen und Gedanken ins Bild, direkt eingeritzt in den Filmstreifen. Ein Versuch, sich den Film in seiner materiellen Beschaffenheit anzueignen, um sich der Mutter und ihrer Geschichte anzunähern und sie sich durch das zwischengeschaltete Medium gleichzeitig vom Leib zu halten. 

 

Jahrzehnte später ist das in »I Cannot Tell You How I Feel« wieder ihre Strategie. Die Mutter ist jetzt über neunzig, soll in ein altersgerechtes Wohnheim umziehen. »Ich komme mit, aber ich verstecke mich hinter der Kamera«, sagt Friedrich zu Beginn. Beide Werke von Friedrich gehören zu einer in Köln gezeigten Auswahl von Filmen des Internationalen Frauenfilmfestivals, das dieses Jahr mit dem Themenschwerpunkt »IN CONTROL … of the situation / Alles unter Kontrolle« in Dortmund stattfindet.

 

Die Alten versuchen sich irgendwie zum Vergehen der Zeit zu verhalten, bei den Jugendlichen gilt es überhaupt erst einmal in die Gegenwart zu passen. In Dominique Cabreras Coming-of-Age-Krimi »Corniche Kennedy« meint eine Gruppe Teenager durch das Ausdehnen der Gesetze die einzige Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben zu haben. Im diesjährigen Max-Ophüls-Preisträger »Siebzehn« erzählt Monja Art eigentlich eine schlichte Seifenoper-Geschichte nach dem Schema A liebt B liebt C liebt A, aber das auf einzigartig energetische Weise. Hier traut sich keiner der Jugendlichen so recht zu sagen, was er denkt und fühlt. Sie sitzen jeden Abend zusammen und fühlen sich vor allem eins: einsam.

 

Eine Art Bindeglied zwischen Welten und Generationen bildet Kurdwin Ayub. Die 27-jährige Österreicherin erforscht in »Paradies! Paradies!« die Kurdistan-Euphorie ihres Vaters während einer Irakreise. Sie hat einen Draht zu den Kindern, sitzt in Frauen- und Männerrunden. Sie porträtiert mit ihrem Gespür für absurde Situationskomik Hin- und Hergerissene, deren Leben von äußeren Umständen bestimmt werden und deren Selbstinszenierung die Illusion von Kontrolle aufrecht erhalten soll: Doch das ständig mit den Fingern geformte Victory-Zeichen könnte bei ihnen auch für Verzweiflung stehen.

 

Mo 3.4.–So 9.4., Filmforum im Museum Ludwig, Infos: filmforumnrw.de