Being James Baldwin

I Am Not Your Negro von Raoul Peck ist ein brillanter Filmessay über Rassismus in den USA

Der Blick auf das Filmplakat von »I Am Not Your Negro« macht stutzig. Neben dem Titel steht dort: »Written by James Baldwin. Directed by Raoul Peck«. Starb Baldwin nicht vor ziemlich genau dreißig Jahren? Peck hat kein altes Drehbuch des afroamerikanischen Schriftstellers und Essayisten gefunden. Vielmehr weist die Zuschreibung darauf hin, dass »I Am Not Your Negro« vor allem eine Text/Bild-Collage ist: Zu hören sind — neben bisweilen unnötiger Musik — fast ausschließlich Sätze Baldwins, die Peck aus verschiedenen seiner Bücher, Essays und aus Briefen zusammengestellt hat. Gelesen werden sie aus dem Off mit sanfter Bestimmtheit von Samuel L. Jackson. Dazu gibt es Ausschnitte von TV-Talkshows, in denen Baldwin Gast war, und Reden, die er vor Kameras gehalten hat.

 

»I Am Not Your Negro« ist also kein Film über Baldwin; Peck lässt uns vielmehr die Welt durch Baldwins Augen sehen. Die zweite Besonderheit: Anders als in so vielen Dokumentarfilmen über Künstler wird hier nicht eine Biografie rekapituliert, sondern Baldwins lebenslanger Auseinandersetzung mit einem spezifischen Thema nachgegangen: dem Rassismus in den USA und wie dieser die Gesellschaft als Ganzes prägt.

 

Die Gedanken Baldwins sind dabei ebenso komplex wie seine Persönlichkeit. Geboren 1924 in Harlem in armen Verhältnissen, zeichnete ihn nicht nur seine literarische Begabung aus. Er war auch ein begnadeter Redner, dessen gewählte Ausdrucksweise und geradezu aristokratischer Habitus seine Herkunft ebenso konterkarierten wie seine unerbittliche und wütende Kritik nichts zuletzt auch am liberalen weißen Amerika. Das machte ihn aber nicht automatisch zu einem Lieblingsdichter des radikaleren Teils der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Eldridge Cleaver von den Black Panthers etwa nannte Baldwins offene Homosexualität eine »Krankheit« und beschrieb ihn als »selbsthassenden« Schwarzen.

 

Baldwins Status als ewiger Außenseiter und sein Pendeln zwischen Frankreich und den USA ließen ihn die amerikanische Gesellschaft als Ganzes klarer sehen. Symbolisch auf den Punkt gebracht wird deren Dilemma in Pecks ebenso berührendem wie intellektuell forderndem Film mit einem Ausschnitt aus Stanley Kramers Film »Flucht in Ketten« (1958). Sidney Poitier und Tony Curtis spielen darin zwei Häftlinge, die zusammengekettet aus einem Gefangenentransport entkommen. Statt jedoch zusammenzuhalten, streiten und prügeln sie sich. Und landen zusammen in einem Graben. Rassismus erniedrigt nicht nur die Afroamerikaner, er zieht den weißen Teil der Bevölkerung mit in den Dreck.

 

I Am Not Your Negro (dto) F/USA 2016, R: Raoul Peck, 93 Min. Start: 6.4.