"Queers against AfD"-Protestballon am Rheinufertunnel

Bitte weitergehen - es gibt nichts zu sehen!

Das Horrorszenario blieb aus - dank der besonnenen Demonstranten. Unser Kommentar zu den Anti-AfD-Protesten

50.000 Menschen waren gekommen. Am Ende des Tages standen ein verletzter Polizist, eine Sitzblockade, sieben zerstochene Reifen, 16 Strafanzeigen „wegen Raubes, Widerstands, Landfriedensbruchs, Körperverletzung und Sachbeschädigung“, dazu Angriffe auf den Gegner, die die Polizei nur unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas verhindern konnte. Das ist die Bilanz des AfD...nein...sorry... des Fußballbundesligaspiels des 1.FC Köln gegen Red Bull Leipzig im September 2016.  

  

Es ist vollkommen nachvollziehbar, davon nicht viel mitbekommen zu haben. Schließlich waren die entsprechenden Meldungen im Vorfeld ausgeblieben: die Warnungen vor der Konfrontation gegnerischer Gruppen, die Meldungen über die Stärke des Polizeieinsatzes, die Flugblätter der Polizei und die regionalen und nationalen Berichte über einen „Ausnahmezustand“ in Köln. 

  

Über diesen Ausnahmezustand bestimmt im Moment die Kölner Polizei und ihr Chef Jürgen Mathies. Und innerhalb von nicht einmal 18 Monaten hat sie am Samstag  zum vierten Mal die Lage falsch eingeschätzt. Bei der Demonstration von 30.000 Erdoğan-Anhängern im Sommer 2016 in Deutz blieb die Gewalt ebenso aus, wie kurz danach beim Sommerfest des kurdischen Vereins Nav-Dem, das die Polizei „aus Sicherheitsgründen“ nicht im Rheinenergiestadion sehen wollte. An Silvester 2016/17 schließlich kesselten Polizeibeamte 600 Personen mit dunkler Haut- oder Haarfarbe auf Verdacht am Bahnhof ein, nur um hinterher festzustellen, dass diese nach Köln gekommen sind, weil man hier gut feiern kann.   

  

Zwei verletzte Polizisten, fünf Festnahmen, zwei eingeschlagene Glasscheiben – das ist die vorläufige Polizeibilanz der Proteste gegen den AfD-Parteitag im Maritim. „Gewaltfrei“ ist das nicht. Aber es ist auch weit von dem Horror-Szenario entfernt, das Polizei und Lokalpresse in den letzten Tagen entworfen haben. Die Polizei reklamiert auch hierfür schon mal die Lorbeeren. „Das massive Zeigen von Polizeikräften hat zur Beruhigung der Lage beigetragen“, sagte etwa Polizeigewerkschaftler Adi Plickert (GdP).  

  

Dabei war es eher die massive Besonnenheit der insgesamt 25.000 DemonstrantInnen, die sich weder vom Nieselregen noch von den Schreckensszenarien der Polizei davon abbringen ließen, am Heumarkt und an den Blockaden ihren Protest gegen die AfD auszudrücken. Welche Bedrohung von pink gekleideten Trommelgruppen samt Luftballons ausgeht, darf die Polizei bei Gelegenheit gerne erläutern. Im Moment gibt es zwei naheliegende Erklärungen: Entweder hat sie die Lage bewusst übertrieben dargestellt oder sie hatte schlicht kaum haltbare Erkenntnisse. Für letzteres sprechen die Belege, die die Kölner Polizei der Öffentlichkeit präsentiert haben – ein Zitat von der frei zugänglichen Webseite Indymedia, auf der für den AfD-Parteitag "Feuer statt Konfetti" angekündigt wurde. Wer dies als eine seriöse Quelle betrachtet, der hält auch eine Toilettenwand für eine Aphorismensammlung. 

  

Für die Kölner Politik, die Anti-AfD-Proteste fast geschlossen unterstützt hat, liegt damit schon die nächste Aufgabe bereit. Sie muss sich überlegen, ob die massive Polizeipräsenz, die seit dem Jahreswechsel 2015/2016 in Köln zur neuen Normalität geworden ist, nicht genau das liberale Lebensgefühl beeinträchtigt, für das am Wochenende so viele Menschen auf die Straße gegangen sind.