Unheimliches Hinterland

Jordan Peeles Debütfilm Get Out verbindet brillant Horror, Humor und Politik

Irgendwann ist es in jeder Beziehung so weit: Das erste Treffen mit den Schwiegereltern steht an. Auch für die Turteltauben Rose und Chris hat die Stunde geschlagen. Am Wochenende soll es rausgehen aus dem urban-mondänen New York und rein in die Provinz, wo Rose den neuen Freund ihren Eltern vorstellen will. Für Chris ist das besonders heikel: »Wissen deine Eltern, dass ich schwarz bin?« Rose und ihre Eltern sind weiß. Nein, wissen sie nicht, lacht sie die Bedenken weg: Natürlich seien ihre Eltern keine Rassisten. Sind sie auch nicht. Jedenfalls nicht dem üblichen Verständnis nach.

 

Vielmehr sind sie ausgesucht freundlich, fast aufdringlich jovial. Am Rande fließt dann aber doch immer wieder ein, dass Chris eine andere Hautfarbe hat — passive Aggressivität des linksliberalen Milieus. Die Bediensteten auf dem stattlichen Anwesen sind im übrigen ausnahmslos schwarz.

 

Bis dahin ist Jordan Peeles Debüt bereits ein den Finger konsequent in Wunden legender fantastischer Vertreter der awkward comedy, die ihren Reiz aus verzwickt-peinlichen Situationen bezieht. Als sich Rose’ Mutter dann aber als therapeutische Hypnotiseurin zu erkennen gibt, die Chris vorgeblich vom Laster des Rauchens kurieren will, wächst sich »Get Out« zum waschechten Horrorfilm aus. Chris’ latentes Unbehagen inmitten des weißen, ländlichen Amerika weicht einer wohlbegründeten Paranoia: Raus hier, aber schnell.

 

»Der Babadook«, »It Follows« und »The Witch« — das Horrorkino hat derzeit einen Wahnsinnslauf, und »Get Out« ist so etwas wie die Kirsche auf der Torte. Als Genrefilm dank seiner für die nötigen Affekt-Dynamiken enorm sensiblen Inszenierung effektiv, daneben als Komödie brillant und hinsichtlich Genre und Sujet sehr intelligent: Wie schleierhaft im Grunde, dass sich seit George Romeros »Nacht der lebenden Toten« (1968!) kaum mehr Beispiele dafür finden lassen, wie das Genre die afroamerikanische Erfahrung so präzise aufgreift. Peele macht mustergültig vor, wie es geht: In »Get Out« verbindet er das spätestens seit H.P. Lovecraft fest im Genre-Fundus etablierte Motiv einer im Hinterland lauernden, unwägbaren Gefahr mit Stilmitteln des Paranoia- und Body-Horrors vor der Folie afroamerikanischer Ängste. Konsequent legt er dabei die Wurzel des Rassismus frei. Wie dies geschieht, soll nicht verraten werden. Meiden Sie auch die Trailer zum Film. Gehen Sie ins Kino, lassen Sie sich von diesem kleinen Filmwunder aufs Erschreckendste überraschen.

 

Get Out (dto) USA 2017, R: Jordan Peele, D: Daniel Kaluuya, Allison Williams, Bradley Whitford, 104 Min. Start: 4.5.