Alles ist gut

Früher priesen Händler ihre Waren als die besseren oder die besten an. Heute ist alles gut. Es gibt »das gute Design«, »die gute Bockwurst« und Volksfeste als »Tag des guten Lebens«. Bescheidet man sich endlich? Jedenfalls scheinen die Zeiten vorbei, in denen aggressive Komparative und angeberische Superlative überhandnahmen. Nur kuriose Reste sind übrig geblieben: »Geil, geiler, Tobse Bongartz!«, sagt Tobse Bongartz — als einziger, ach, einzigster! Und bei Trinkhalle Hirmsel bekommt man »optimalst« gekühltes Bier.

 

Man sieht schon: Superlative sind das rhetorische Arsenal der Angeber. So reden Kirmes-Raufbolde am Hau-den-Lukas: Ich bin der Stärkste! Ich hab den Längsten! Ich hab das schnellste Internet! Der Superlativ gilt zurecht als unseriös. Denn müsste nicht, wer die vermeintlich »beste Bockwurst der Stadt« feilbietet, alle anderen Bockwürste gekostet haben? Zurecht traut man Angebern derartige empirische Studien nicht zu. Deswegen futtert der urbane Routinier nicht mehr »die beste Wurst der Stadt«, sondern lieber »die gute Wurst«. Er weiß: Das Beste ist nicht gut.

 

Obwohl gegenüber dem Superlativ gemäßigt, ist der Komparativ noch unschicklicher. Er sucht den direkten Vergleich: Ich bin besser, schöner, klüger, mein Internet ist schneller. Doch auch der Positiv, die Grundform möglicher Steigerungen, sollte uns verdächtig vorkommen: Ist »gut« wirklich gut?

 

Superlativ und Komparativ stehen trotz ihrer Anmaßungen immer noch in einer Abhängigkeit zu anderem. Der Kirmes-Raufbold hat halt nur dann den Längsten, wenn er anderen den Kürzeren unterstellen kann. Dieses Relationale aber fehlt der Grundform: Der Positiv oder Gradus absolutus steht für sich. Er duldet nichts und niemanden, der ihm seinen Platz streitig machte. Wer sagt »Meine Bockwurst ist die beste« mag ein Bauernfänger sein, wer aber sagt »Meine Bockwurst ist gut«, der führt sich wie ein absolutistischer Herrscher auf.

 

Gewissermaßen übersteigert die Grundform noch den Super­lativ. Bei Platon ist das oberste Prinzip, das selbst noch über der Sphäre der ewigen Ideen thront, deshalb nicht »Das Beste«, sondern schlicht »Das Gute«. Und solche ontologische Wucht erschüttert nun unseren Alltag: Alles ist jetzt gut. Selbst in »Stukki‘s Gyros-Tempel«! Wenn wir voraussetzen dürfen, dass ein griechischer Imbiss, der die »Grillplatte Sokrates (nur 9,95 Euro)« zubereitet, mit der antiken Philosophie vertraut ist, dann müssen wir ernst­nehmen, was Stukki spricht. ­Gesine Stabroth fragt: »Die Pommes sind ja teurer als gegenüber, sind die denn auch besser?« Und Stukki antwortet dann neuerdings: »Diese Pommes sind gut.« Das sagt Stukki zwar auch, weil er es sich nicht mit Herrn Hirmsel von Trinkhalle Hirmsel verscherzen will, aber auch mit rhetorischem Bedacht. Es ist ein Satz wie in antiken ­Marmor gemeißelt. Spräche Stukki hingegen: »Meine Pommes sind besser als die Mikrowellen-­Matsche von Trinkhalle Hirmsel« passte das auf keinen antiken Rundbogen und klänge auch bloß beleidigt. Ebenso sprengte das superlativische »Meine Pommes sind die besten!« jedes Maß — und wäre lächerlich, weil natürlich selbst schlechte Pommes die ­besten sein können, wenn es sonst bloß noch schlechtere gibt. Oder, wie es Atze und Pit traurig konstatieren, die mit ihren Hunden unlängst von Trinkhalle Hirmsel zum Eingang von »Stukki‘s Gyros-­Tempel« übergesiedelt sind: »Die Pommes schmecken hier in der Gegend überall scheiße, aber das hier sind noch die besten«. Das Beste aber ist aber eben nicht gut. Selbst das Gute ist nicht immer gut. Es ist verwirrend, aber jetzt ist auch mal gut!