»Film kann ausdrücken, dass eine andere Welt möglich ist«

Regisseur und Hauptdarsteller Julian Radlmaier über seinen ebenso intelligenten wie ­komischen Debütfilm Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes

In »Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes« spielen Sie einen erfolglosen Filmemacher, der sich bei der Apfelernte verdingen muss. Er verkauft das seinem Umfeld aber als Recherche für einen »kommunistischen Märchenfilm«. Wie würden Sie selbst Ihren Film beschreiben? Wenn ich an den Entstehungsprozess des Films denke, würde ich sagen, es ist ein Essayfilm, der mit komischen Mitteln arbeitet. Essayfilm deshalb, weil das Drehbuch von thematischen Gedanken vorangetrieben worden ist. Und mein Temperament ist es eben, diese politischen Fragen in einer komischen Form zur Anschauung zu bringen.

 

Inwieweit wird Ihre Filmfigur zur Selbstreflexion des Künstlers als junger Windhund? Die Hoffnung war, dass dieser selbstreflexive Modus sich auch auf den Zuschauer überträgt, weil das Problem, aus dem dieser Filmemacher am Ende nur durch eine magische Wendung heraustritt, ein grundsätzliches ist. Am Anfang stand für mich die Frage: Wie weit kann man sich mit anderen Leuten jenseits der eigenen Schicht solidarisieren und ist man bereit, auf bestimmte Privilegien zu verzichten. Wenn man aus der Mittelschicht kommt, findet man es total natürlich, dass man sich mit Kunst und schönen Dingen beschäftigen kann und andere Leute die Scheißjobs machen sollen. Und wenn man anfängt, über Politik nachzudenken, also über die Frage, wie eine Gesellschaft besser strukturiert sein kann, müsste man bei der Frage ansetzen: Wer muss eigentlich was machen und warum?

 

Der Julian im Film gibt sich als kommunistischer Filmemacher aus, um Camille, in die er sich verliebt hat, zu beeindrucken. Verstehen Sie sich selbst als kommunistischen Filmemacher? Ich würde mich eher als einen Filmemacher bezeichnen, der sich dafür interessiert, was jenseits der Schauergeschichten des 20. Jahrhunderts in der Idee des Kommunismus steckt. Grundsätzlich geht es ja erst einmal um einen Ansatz, Arbeit und Besitzverhältnisse anders zu organisieren. Und ich versuche, mich dem auf eine humoristische Weise zu nähern, um mich überhaupt in die Lage zu versetzen, darüber sprechen zu können. Ich könnte vielleicht nicht ernst und hochdifferenziert über marxistische Theorie sprechen, da würde mir viel fehlen. Aber in der Naivität, die ich mir erlaube, und mit dem Humor als Werkzeug, um auf Ideen zuzugreifen, habe ich das Gefühl, an bestimmten Dingen arbeiten zu können.

 

Engagierte Filmemacher der britischen oder belgischen Schule tendieren zu naturalistischen Erzählweisen. Sie wählen einen theatralen, diskursiven Zugang. Warum? Dieses naturalistische Sozialdrama-Kino ist oft unheimlich deterministisch. Da sieht man Figuren, die an den Verhältnissen scheitern, aber diese Verhältnisse auch so internalisiert haben, dass es entweder keinen Ausweg mehr gibt, oder aber das schlägt plötzlich in sozialverkitschtes Erbauungskino um. Meine Entscheidung ist dann eher, in dieser soziologischen Zeichnung nicht so genau zu sein, sondern fiktive Figuren zu schaffen, die aber dadurch das Potenzial einer Veränderung verkörpern können.

 

Welchen Filmemachern fühlen Sie sich verwandt? Alles, was ich mache, ist auch aus einer starken Auseinandersetzung mit Filmgeschichte entstanden. Godard war für mich ein zündender Moment, um eine andere Art Filme zu machen. In den letzten Jahren haben mich die Filme von Jean Renoir, etwa »Die Spiel­regel«, stark geprägt. Auch das Filmemacherpaar Jean-Marie Straub und Danièle Huillet ist für mich wichtig — in ihren klaren Formen und in ihrer Art mit Sprache und Schauspiel umzugehen. Im deutschen Kino interessiert mich vor allem Fassbinder. Weniger das Melodramatische, sondern seine Art und Weise, Theater und Wirklichkeit in Verbindung zu setzen.

 

Welche Rolle kann Film in Zeiten vermeintlicher Alternativlosigkeit übernehmen? Im Diskurs von Politikern geht es immer um angeblich objektive Problemlagen, die nur bestmöglich verwaltet werden können. Die Hoffnung wäre, dass ein Film keine detaillierten Handlungsanweisungen gibt, aber doch zum Ausdruck bringen kann, dass eine andere Welt möglich ist.

 

Welche Rolle spielt hier Ihr formaler Ansatz? Ich versuche, mich in einem Spannungsfeld zwischen Theatralischem und Dokumentarischem zu bewegen. Wir haben überwiegend an vorgefundenen Orten gedreht und mit Laien gearbeitet, die nicht darauf trainiert sind, nahtlos in einem Schauspielstil aufzugehen, sondern auch anderes mit einbringen. Andererseits versuche ich, durch Kadrage, Inszenierung und Texte eine Verfremdungsebene zu erzeugen, die aber rückbezogen bleibt zur Realität. Das hat sicher etwas von einer Versuchsanordnung, was immer so trocken klingt. Aber für mich steckte darin eine Freude am Spiel mit der Wirklichkeit, und ich glaube, dieser spielerische Zugang ist zugleich auch der Ausgangspunkt für jede politische Erneuerung, die den Menschen als den­kendes und fühlendes Wesen in den Mittelpunkt stellen will.