Liebe in Zeiten des Rassismus

In Loving erzählt Jeff Nichols zurückgenommen vom Kampf gegen Diskriminierung

»Ich bin schwanger«, sagt Mildred zu Richard eines Abends auf der Veranda und sucht in seinem Ge­sicht nach Anzeichen der Zu­rück­weisung. Sie ist schwarz. ­Er ist weiß. Man schreibt das Jahr 1958 und im US-Bundesstaat Vir­ginia ist eine Ehe­schließung über die Rassenschranken hinweg gesetzlich verboten. Es gäbe eine Menge zu besprechen, aber nach wenigen gedankenverlorenen Sekunden lächelt Richard sie an und murmelt nur: »Gut«.
Mehr gibt es nicht zu sagen.

 

Mit dieser leisen Einverständnis­erklärung ist nicht nur eine Liebesbeziehung beschrieben, sondern auch der Ton, in dem Jeff Nichols in »Loving« von einem der wichtigsten Präzedenzfälle (»Loving vs Virginia«) der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung erzählt. Neun Jahre kämpfen Mildred und Richard Loving für die rechtmäßige Anerkennung ihrer Ehe. Der Fall geht bis zum Supreme Court, der 1967 in einer Grundsatzentscheidung alle Beschränkungen bei Eheschließungen aufgrund der Hautfarbe für verfassungswidrig erklärt.
Man kann sich vorstellen, wie Hollywood so etwas in Szene setzt: große Gefühle, kämpferisches Pathos, flammende Plädoyers vor Gericht, triumphale Verkündung des Urteils, grandioses Happy End. Nichts davon tut dieser Film. Ihm geht es nicht um historische Meilensteine, sondern um zwei Menschen, die sich lieben und in Ruhe gelassen werden wollen.

 

An keiner Stelle im Film geht es um die Pose des politischen Kampfes, sondern allein um die Würde einer Liebesbeziehung und eine gewisse Sturheit, sich für das Selbstverständliche einzusetzen. Die Art wie sich Nichols auf das Gemüt und die Wortkargheit seiner Figuren einlässt, ist zunächst gewöhnungsbedürftig, aber auf eine vollkommen unaufdringliche Art sehr berührend. Das liegt auch an der fabelhaften Ruth Negga, die das allmählich wachsende Selbstbewusstsein ihrer Figur in hauchfeinen Nuancen vermitelt — eine echte Entdeckung.
»Loving« ist Kino-Slow-Food im besten Sinne. Behutsam und ohne Geschmacksverstärker gegart entfaltet der Film langsam sein Aroma, das noch lange nachwirkt.