Kein Licht für den König

Regisseur Nicolas Stemann zeigt auf der Ruhrtriennale ein Mega-Musikspektakel über Donald Trumps Klimapolitik nach Texten von Elfriede Jelinek

Von den Menschen ist nicht viel übrig geblieben. Als Schatten geistern sie über eine fast dunkle Bühne, versuchen, Instrumente zu spielen, bringen keine Töne mehr hervor. Karin Beier inszenierte am Kölner Schauspielhaus die Uraufführung von Elfriede Jelineks Stück »Kein Licht«, mit dem sie auf die Katastrophe von Fukushima reagierte. Nun gibt es eine Art Opernversion bei der Ruhrtriennale. 

 

»Götterfunken« hat Intendant Johan Simons über seine letzte Saison bei diesem Festival geschrieben. Auf Jelineks Text bezogen ist das bittere Ironie. Aber vielleicht auch mehr, denn im Sinne der Antike, in der sich die Österreicherin ja bestens auskennt, sind Götter keinesfalls immer freundlich zu den Menschen. Die Vernichtung der Wesen, die durch ihre Maßlosigkeit die Welt zerstören, könnte durchaus ein rächender und reinigender Götterfunken sein. Aber als Oper? Gebändigt in eine Orchesterpartitur lassen sich die immer weiter sprudelnden Gedankenströme Jelineks kaum vorstellen.

 

Der französische Komponist Philippe Manoury hat eine spezielle Form des Musiktheaters entwickelt. Einmal gibt es ein Musikensemble mit klassischen Instrumenten, einen Chor, Sängerinnen und Sänger. Auf die Worte der Schauspieler — darunter die nach Kritikerumfrage »Schauspielerin des Jahres« Caroline Peters — reagiert Manoury, der bei jeder Aufführung dabei ist, direkt. Mit Hilfe von interaktiver Live-Elektronik verfremdet er Worte in Gesang und generiert automatisch Begleitmusik. »Realtime Rezitativ« nennt Manouri diese Technik. Auch das Jaulen eines Hundes will er auf diese Weise direkt musikalisch umsetzen.

 

Für die Ruhrtriennale ist nun ein gänzlich neuer Teil entstanden. Unter dem Titel »Der Einzige, sein Heiligtum (Hello darkness, my old friend)« setzt sich Elfriede Jelinek mit Donald Trump auseinander. Der Leugner der Klimakatastrophe heißt im Text nur »der König«. Mit böser Wortwitzwut arbeitet sich die Autorin an ihm ab: »Der hatte einen Lauf kann ich ihnen sagen. Wenn den keiner stoppt, läuft er morgen auch noch dahin.« Regie führt Jelinek-Experte Nicolas Stemann, von dem in Köln die Uraufführung von »Die Kontrakte des Kaufmanns« zu sehen war und der gerade zum Intendant des Schauspielhauses Zürich gekürt wurde.

 

Johan Simons selbst führt diesmal nur bei einem Stück Regie. »Cosmopolis« nach dem Roman von Don DeLillo . Den Absturz eines 28-jährigen, unfassbar reichen Vermögensverwalters in New York beim Zusammenbruch der Finanzmärkte inszeniert Simons als eine Kindergeschichte. »Das ist eine Ikarus-Figur«, erklärt der Regisseur. »Das einzige Alter, in dem man glaubt, alles werden zu können, ist die Kindheit. Vielleicht bis man acht Jahre alt ist. Deshalb spielt ›Cosmopolis‹ für mich in der Welt der Kinder. Damit man sich die Mechanismen dahinter vorstellen kann.« Wie schon in seinen Inszenierungen der vergangenen Jahre kombiniert Simons Schauspiel und Musik.

 

Drei Trilogien finden ihren Abschluss: Luk Perceval wird seine Bühnenbearbeitung von Emile Zolas Romanserie »Die Rougon-Macquarts« mit »Hunger« beenden. Es besteht die Möglichkeit, alle drei Aufführungen in einem Marathon zu sehen. Der Choreograph Richard Siegal setzt sich erneut mit dem Jenseits auseinander, überarbeitet die Stücke der vergangenen Spielzeiten und fügt sie mit dem neuen Werk »El Dorado« zusammen. Und Ivo van Hove inszeniert zum dritten Mal eine Romanbearbeitung des bei uns zuvor völlig unbekannten niederländischen Schriftstellers Louis Couperus.

 

Johan Simons wollte die Ruhr-triennale weiter öffnen. In seinem Kulturverständnis ist Theater für alle da. Künstlerische Kompromisse nimmt er dabei allerdings nicht in Kauf. Die Installation »The Good, the Bad and the Ugly« vor der Bochumer Jahrhunderthalle ist als neues Festivalzentrum angenommen worden und wird weiter wachsen. Alle Programme, die im Haupthaus, dem Refektorium gezeigt werden, laufen kostenlos. Die Konzerte mit elektronischer Musik unter dem Titel »Ritournelle« binden ein Publikum, das kaum klassische Kulturangebote wahrnimmt. Und das Projekt »Teentalitarismus« bietet Jugendlichen Freiräume und die Möglichkeit, die Strukturen der Ruhrtriennale für ihre Projekte zu nutzen. »So eine Präsenz junger Leute hat es bisher nicht gegeben«, erzählt Johan Simons. »Die sind ja ständig hier, gehen uns auch auf die Nerven.«

 

Eben das ist der Geist der Ruhr-triennale, seitdem Gérard Mortier das Festival gegründet hat. Hier darf, soll und muss ausprobiert werden. Hochglanzkultur ist nicht der Anspruch, Aufführungen auf höchstem Niveau allerdings schon. Wenn der Pole Kryzstof Warlikowski zum Start »Pelléas et Melisande« von Claude Debussy inszeniert, mit Sylvain Cambreling am Pult und Starsopranistin Barbara Hannigan in der weiblichen Hauptrolle ist das eine internationale Spitzenbesetzung. Der Anspruch der Ruhrtriennale geht jedoch über eine Top-Opernaufführung hinaus. Hier wollen Utopien, ganze Weltentwürfe entworfen werden, »Götterfunken«, die Wunden hinterlassen können, aber auch Wege in die Zukunft öffnen.