Mythen-Ladys

Das TKO macht aus Elfriede Jelineks Prinzessinnendramen ein dynamisches

Spiel über Gender

Prinzessinnen, mal im modernen Gewand wie Jackie Kennedy Onassis, mal als mythische Märchenfiguren wie Schneewittchen, werden bei Elfride Jelinek zum Ausgangspunkt ihres Stückes über die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft. Wie kann eine Emanzipation gelingen, wenn in einer patriarchalischen Gesellschaft die Frau unsichtbar bleibt oder nur Gestalt annimmt in der männlichen Projektion? Elfriede Jelineks Textmontage »Der Tod und das Mädchen — Prinzessinnendramen« geht dieser Frage mit gewohnter Schärfe und selbstironischem Spott nach. 

 

Bei dem Gastspiel des Theater TKO Köln im Theater im Keller lässt die Regisseurin Nada Kokotovic Nedjo Osman, im seidigen Pascha-Gewand vor dem Laptop sitzend, im Internet nach passenden Frauen Ausschau halten. Aggressiver und ohrenbetäubender Motorenlärm begleiten diesen Auswahl-Akt, an dessen Ende jeweils eine neue »Prinzessin« die Bühne betritt. Es ist eine feindliche männliche Welt, in welcher die Frauen sich zu behaupten haben, wollen sie nicht zu Abziehbildern degradiert werden. Aber Frauenfiguren aus der Feder von Elfriede Jelinek sind es gewohnt, zu kämpfen, ohne Gewähr, dass die Kraftanstrengung sie aus der Opferrolle befreit. So wie Schneewittchen, gespielt, wie alle übrigen Prinzessinnen, von Natalie Forestier, die vergeblich nach den ihr wohlgesonnen sieben Zwergen Ausschau hält und stattdessen dem Jäger und damit dem Tod über den Weg läuft. 

 

Das Duell Tod versus Mädchen löst die Inszenierung im Tanz auf, wobei auch der männliche Widerpart mit Bibiana Jimenez von einer Frau verkörpert wird. Mit Dornröschen, Jackie Onassis, der zypriotischen Prinzessin Rosamunde und der Dichterin Sylvia Plath tauchen vier weitere »Prinzessinnen« zwischen Selbstbehauptung und Selbstzweifel auf. Starke, kraftvolle Gestalten, gleichzeitig immer Gefahr laufend, Opfer männlichen Dominanzstrebens zu werden. Dornröschen muss sich, kaum wachgeküsst, gegen den Besitz-anspruch eines dahergelaufenen Prinzen erwehren, der sich wie ein Leben spendender Gott aufführt. 

 

Das Wechselspiel von Jelineks pointierten und vielschichtigen Monologen und den entäußerten Tanzpassagen verleiht dem nicht immer bühnentauglichen Text eine willkommen theatrale Dynamik. Wenn, wie beim Duett von Rosamunde und dem Prinzen Fulvio —
der Tänzer Phuong Tuong tritt ebenfalls im Frauengewand auf — die Worte versiegen, obliegt es den Körpern den Diskurs auszufechten. Im Tanz lässt sich das entgendern, was sich in unserer Welt noch nicht verwirklichen lässt.