Ohne Filter

Chanson, Deutschrock, Experiment — Martin Bechler ist Fortuna Ehrenfeld

Wenn sich Keith Richards auch mit gefühlten 97 Jahren nicht davon abhalten lässt, die Gitarre auf Stadionbühnen zu schwingen, weshalb sollte man seine Popkarriere dann nicht auch jenseits der 40 starten dürfen? Hat man wenigstens schon was erlebt. Der Kölner Musiker Martin Bechler hat es unter dem Decknamen Fortuna Ehrenfeld jedenfalls mit Ende 40 eben erst zu einem Deal mit dem Hamburger Renommier-Label Grand Hotel van Cleef gebracht. Mit seinem zweiten, vergangenen Monat veröffentlichen Album »Hey Sexy« ist er seither in der Erfolgsspur, zum 15. Geburtstag seines Labels durfte er jüngst vor mehr als 10.000 Zuschauern in Hamburg spielen.

 

Dabei ist Bechler musikalisch gewiss kein Anfänger, seit Jahrzehnten betreibt er ein Studio und schreibt Songs für andere Künstler (u. a. drei Alben für Rolf Zacher). »Doch dann gab es da einen Stapel an Songs, die keiner wollte, das war sozusagen der Mülleimer, das schräge Zeug«, erinnert er sich. Der Produzent René Timmer (Can, Trio) empfahl Bechler, die Nummern einfach mal selbst aufzunehmen, bei der stilistischen Orientierung hatte er maßgeblichen Einfluss: »René hat mir beigebracht, Raum zu schaffen für meine Stimme. Ich bin kein richtiger Sänger, ich bin maximal ein Erzähler und nehme am liebsten auf, wenn ich grade eine Grippe hinter mir hab.« Um eine punkige Haltung sei es dabei gegangen: »Ich will schnell und ungefiltert schreiben. Die musikalischen Räume sollten klein und schäbig sein.«

 

Tatsächlich sind die zwölf Songs auf »Hey Sexy« meilenweit von dem entfernt, was derzeit unter dem Schlagwort Deutschpoeten in den Charts firmiert. Die chansonhaften Lieder basieren auf einem minimalistischen Drumcomputer und Fender-Rhodes-Begleitung, über die Bechler mit lakonisch rauchiger Stimme hinwegrotzt. Die Emotionalität wirkt beiläufig und hat dennoch eine feierlich-theatralische Note. Straßenlyrik und -phrasierung treffen auf stream-of-consciousness-artige, bisweilen absurde Assoziationsketten und einen trockenen Humor: »Ich war der Zahnarzt von Darth Vader, ich hatte immer viel zu tun.«

 

Auf Konzerten weiß der hühnenhafte Frontmann das Publikum mit wenigen theatralischen Gesten und schlitzohrigen Zwischenansagen sofort in den Bann zu ziehen. Dass es sich bei ihm eigentlich um einen Newcomer handelt, hat man schnell vergessen. Eher wirkt Bechler wie eine Deutschrock--Instanz — einer, der schon immer da gewesen ist.