Ist das noch populär?

Mit Von Spar und dem Pleitejazz stellt sich Thomas Mahmoud

gegen den Popdiskurs

Es gibt Musiker, denen muss man jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Thomas Mahmoud gehört definitiv nicht dazu. Man sollte die Fragen schon mit einem gewissen Tempo formulieren, um nicht mitten im Satz unterbrochen zu werden. Es sprudelt eben einfach raus aus ihm: »Der ganze deutsche Popdiskurs hat mich persönlich total gelangweilt, ich fand das extrem berechenbar. Ich wollte mich nicht länger in irgend­welchen Korsetts einengen las­sen: Dreieinhalb-Minuten-Songs machen und meinen, die Welt zu verändern – das funktioniert so einfach nicht. Ich will auch keine Corporate Identity haben mit Von Spar, ich bin Thomas Mahmoud, und ich bin Teil dieser Band. Ich bin aber nicht Thomas Mahmoud: New Wave.«

Erst mal tief Luft holen: Drei Jahre ist es her, da veröffentlichte die Kölner Band Von Spar ihr Debüt und trat damit einen für deutsche Verhältnisse giganti­schen Hype los. Von Spar galten als deutsche Antwort auf die grassierende Post-Punk-New-und-­No-Wave-Welle und eroberten aus dem Stand die Titelblätter der ein­schlägigen Musikmagazine. Von Spar – das war zackig tanzba­rer Sound mit hysterisch proklamierten, agitativen Textpa­rolen. Das heißeste Eisen im Deutschpop-Feuer. Nun also der Nachfol­ger: Was schon der kraut­rockige erste Titel »Xaxapoya« (laut Mah­moud »der Ruf von in den Tod fallenden Schockmumien kurz vor der Gesichtsstarre«) andeutet, erweist sich als waschechte Provo­kation gegen den Indiepopzirkus: Das Album besteht aus zwei Tracks – »Xaxapoya« und »Dead Voices in the Temple of Error« – zu jeweils zwanzig Minuten. Wave-Rock? Deutsche Texte? Fehlan­zei­ge! Stattdessen hypnotische Trom­mel­schleifen, Feedbackorgien, Knis­tersounds, Mönchs­chö­re, Horrorfilmorgeln, doomi­ge Me­tal­gi­tar­ren, angsteinflößen­de Flüs­ter­stimmen, Grunzen im eng­lischen Kauderwelsch. »Ist das noch populär?«, fragten Von Spar schon auf ihrem ersten Album – of­fen­sichtlich in weiser Voraussicht.

Berechneter Kurswechsel?

Von Provokation will Mahmoud nichts wissen: »Es war keine Provokation, wir wollten einfach genau diese Musik machen.« Und er setzt wieder zu einem Höhenflug an: »Ich wundere mich eher, warum so was nicht viel mehr Musiker machen – dass man auf die standardisierten Marketingstrategien scheißt! Die Kunst passt sich immer mehr dem Markt an. Das Tolle ist doch, wenn man Erwartungen bricht. Was hab ich denn davon, wenn ich die 25ste Platte einer Band höre, die genau so klingt wie die erste. Der ganze Musik-Journalismus ist ja auf festgefahrene Schemata ausgerichtet. So werden Hörgewohnheiten geprägt. Das ist ein spezifisch deutsches Problem, weswegen spannende Musik immer erst mal aus Amerika oder aus England kommt. Dort wird es vorgemacht, und dann können deutsche Bands kommen und das kopieren.«

Ist es also tatsächlich keine Berechnung, die hinter dem Kurswechsel steckt? Die Strategie, als Speerspitze eines mögli­chen Krautrock-Revivals im Hipp­ness-Ranking doch wieder ganz weit vorne zu stehen? Im Gegenteil, so Mahmoud. Berechnung habe vor allem hinter dem ersten Album gesteckt: »Wir haben gesehen: Alle machen jetzt diesen 80er-Jahre-Retro-Quatsch, und da haben wir gesagt: Ok, wir machen jetzt aus Spaß auch so ne Platte. Man hat das bedient, was die Leute wollten. Das war für den Moment genau richtig, nur irgendwann muss der Moment auch vorbei sein. Ich war davon gesättigt, live den Partyunterhalter zu geben.« Während Von Spar bislang versuchten, die Nervosität ihrer Umwelt mit noch mehr Nervosität zu übertrumpfen, rufen sie nun also die neue Langsamkeit aus: »Dass man gelassener ran geht, den Momenten, Klangfarben und Instrumenten viel mehr Zeit einräumt. Das beinhaltet auch Momente der Langeweile.«

Protest als Tugend

Zeitgleich mit der Veröffentlichung der neuen Von-Spar-Platte kommt es im Mai auch zur Aufführung einer Soundcollage, die Mahmoud zusammen mit dem Kölner Musiker Stefan Schmidt und dem StadtRevue-Musikredakteur Felix Klopotek konzipiert hat: »Der Pleitejazz« beruht auf einer Textvorlage des flämischen DaDa-Dichters Paul van Ostaijen aus dem Jahre 1920, eigentlich ein Filmskript über den deutschen Staatsbankrott und den revolutionären Geist des Jazz. Die Hörspiel-Autoren haben sich prin­zipiell an das Skript gehalten, das von Kontrasten, Cut-Ups, Montagen und Brüchen lebt. Trotz alle­dem gibt es auch hier viel ruhige, redundante Passagen. Besonders das Flügelspiel von Christoph Clö­ser (Bohren und der Club of Gore) verstärkt das meditative Moment. »Beim Pleitejazz war die musikalische Besetzung ent­schei­dend«, bemerkt Mahmoud, »Christoph steht für eine sehr ausgewogene Klangfarbe, Ted Gaier von den Goldenen Zitronen, der auch mit an Bord ist, bringt den harten Agit-Faktor rein.«

Während man von einer Soundcollage, die vom WDR unter dem Label »Akustische Kunst« ausgestrahlt wird, Avantgardismus regelrecht erwartet, verhält es sich bei einer Pop-Band wie Von Spar anders. Aber für Thomas Mahmoud ist Protest nun mal eine Tugend. Für die Lebenseinstellung der meisten Kommilitonen, mit denen er früher studiert hat, hat er dementsprechend wenig übrig: »Was macht ihr denn jetzt gerade? Wo habt ihr mal angefangen, was waren eure Ideale und wo seid ihr jetzt stehen geblieben? Ihr bedient doch nur noch! Ihr tretet gar nicht mehr in Kritik gegenüber der Scheiße, die ihr da tagtäglich machen müsst, ihr passt euch einfach nur an.«

Phrasendreschender Poser oder visionärer Freiheitskämpfer – man mag zu Thomas Mahmoud stehen wie man will. Von Spar zwingen jedenfalls erneut zur Konfrontation. Ignorieren geht nicht.


Tonträger: Von Spar: »Xaxapoya / Dead Voices in the Temple of Error« erscheint am 4.5. auf Tomlab / Indigo

Konzert: »Der Pleitejazz« wird am 15.5. im Stadtgarten um 20 Uhr im Rahmen der Musiktriennale aufgeführt. Radio-Ausstrahlung: 19.5. WDR 3, ab 23.05 Uhr