Missglückte Inszenierung: Die Aufarbeitung des Operndesasters steht in der Kritik, Foto: Dörthe Boxberg

Die Operlehrer

Das Gutachten zum Desaster der Bühnensanierung liegt vor — aber was taugt es?

Was hatte man sich nur davon erwartet: Ein Gutachten sollte erklären, was bei der Sanierung von Oper und Schauspielhaus schiefgelaufen ist. Denn Bernd Streitberger, seit Mai 2016 Technischer Betriebsleiter der Bühnen, hatte am 3. Juli bekannt gegeben: Die Kosten könnten bis auf bis zu 570 Mio. Euro steigen und die Spielstätte werde erst 2023 eröffnen. Streitberger war als Retter geholt worden, nun konnte er erklären, wie es gehen kann. Das hatte er getan. Aber nach dem Schock will Köln auch wissen, wer die Verantwortung dafür trägt.

 

Seit dem 12. September liegt nach wochenlanger Verzögerung — aber immerhin ohne Kostensteigerung — ein externes Gutachten der Kanzlei Hecker Werner Himmelreich (HWH) vor. Doch die Ratspolitiker hatten sich mehr erwartet.  

 

Kritik wird laut, weil die Kanzlei schon häufiger die Stadt Köln vertreten hat. Schont HWH die Stadt? Schon in der Ankündigung von HWH hieß es, in dem »Prüfbericht der Störungen« gehe es nicht um Schuldzuweisungen. Die Gutachter befragten »ausgewählte Projektbeteiligte«, aber ausdrücklich nicht Dezernenten oder Betriebsleiter.

 

Das Gutachten hatte der Rechnungsprüfungsausschuss (RPA) des Rates in Auftrag gegeben. Dessen Vorsitzender Jörg Detjen verteidigt die Ergebnisse. Für ihn stellen sie eine »Systemkritik« dar. Im Bericht heißt es, die »Primärursache« sei »die Vielzahl an Planungsdefiziten in der Planung der Technischen Ausrüstung« gewesen. Außerdem habe es statt 14 bloß fünf Bauleiter für die Haustechnik gegeben, so dass Fehler nicht behoben wurden. Für die Bühnen als Bauherr sei außerdem »die Einhaltung des Wiedereröffnungstermins von überragender Bedeutung« gewesen — gerade das aber führte ins Desaster. Erst als es nicht mehr anders ging, ließ man den 7. November 2015 als Eröffnungstermin fallen — wenige Monate zuvor.      

 

Das Gutachten gibt schließlich Empfehlungen, wie man es grundsätzlich besser machen kann. Das weiß man aber schon, seit Mitte 2015 die »Reformkommission Bau von Großprojekten« des Bundes ihren Endbericht vorlegte. Credo: Erst planen, dann bauen.

 

Wie das geht, sieht man derzeit in Frankfurt am Main. Anfang Juni wurde eine vor vier Jahren in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zur Gesamtsanierung der Bühnen vorgelegt. Sie soll als Diskussionsgrundlage dienen. Die Baukosten wären demnach enorm: 900 Mio. Euro — aber immerhin: seriöse Zahlen.

 

»Eine Kultur der Großprojekte ist in Köln nicht vorhanden«, sagt der RPA-Vorsitzende Detjen. Entsprechend überfordert gewesen seien die Verantwortlichen. Man habe sich zu spät eingestanden, wie aufwändig es ist, die Gebäude zu modernisieren, damit sie den heutigen Ansprüchen, aber auch den gesetzlichen Normen genügen. Die Oper wurde 1957 eröffnet, das Schauspielhaus vier Jahre später. 60 Jahre später sind die technischen Auflagen viel höher. »Die Hülle ist offenbar zu klein«, sagt Detjen.

 

Wäre also ein Abriss und Neubau doch besser gewesen? Offenbar sind einige der 50.000 Kölner, die damals das Bürgerbegehren für den Erhalt des Schauspielhauses unterschrieben, verunsichert. Die Initiative »Köln kann auch anders« (K2A2) reagierte mit Pressemeldungen und einer Veranstaltung im Raderthaler »KunstSalon«.

 

Frank Deja, Sprecher von K2A2, empört es, dass nun die Unterzeichner des Bürgerbegehrens für das Desaster verantwortlich gemacht würden, und kritisiert die SPD scharf. Die stellte vor kurzem in Frage, ob am Offenbachplatz angesichts der enormen Kostensteigerung überhaupt weitergebaut werden soll.

 

Klaus Schäfer, kulturpolitischer Sprecher der SPD, verteidigt den Vorschlag. Als SPD-Politiker müsse er den Menschen, die keine Affinität zur Hochkultur haben, solche Ausgaben erklären. Nur fünf Prozent der Kölner nutzen Oper und Schauspiel, so Schäfer. Wie will man den anderen 95 Prozent erklären, dass man einerseits ohne öffentliche Debatte die Kostensteigerungen hinnimmt, andererseits aber Schulen und Kitas fehlen?

 

Aus dem Umfeld der Kulturinitiativen heißt es mit dem üblichen Reflex, man dürfe eben das eine nicht gegen das andere ausspielen — aber warum eigentlich nicht?

 

Bei der Veranstaltung im KunstSalon ist es ausgerechnet Jörg Jung, damals Sprecher des Bürgerbegehrens für den Erhalt des Schauspielhaues, der Verständnis für die SPD aufbringt: »Es werden 250 Millionen Euro mehr ausgegeben, obwohl wir alle eigentlich nicht verstehen, warum das so teuer ist.« Für Jung, den Kunsthistoriker, lässt sich dies aber rechtfertigen, weil Wilhelm Riphahns Architekturensemble nach dem Weltkrieg »ein Signal gesetzt hat für das, worauf es in einer Bürgerschaft ankommt: Geistigkeit, Austausch, Diskurs.« Viel Beifall im KunstSalon. Oper und Theater werden dort als Ort der höheren Bildung verstanden. Chorweiler, Kalk und Porz sind in diesem Moment sehr weit weg.