»Die Häuser denen, die drin wohnen«

Die Bewohner der Lessingstraße 33 in Ehrenfeld sind die ersten Kölner, die sich dem Freiburger »Mietshäuser Syndikat« anschließen und ihr Hausprojekt in eine GmbH umwandeln. Yvonne Greiner verfolgt den Weg vom besetzten Haus zum Unternehmen.

Es ist ein recht kleines Haus, wie es viele in den Querstraßen zwischen Subbelrather und Venloer Straße gibt. Die Fassade des Altbaus könnte einen neuen Anstrich gebrauchen, ansonsten fällt das Haus in der Lessingstraße 33 nicht weiter auf. Drinnen sieht man sofort, dass es kein gewöhnliches Haus ist: Die Bewoh­nerInnen bauen und werkeln selbst, wo immer das möglich ist. Das Zimmer unterm Dach hat nun ein Fenster mehr, neue Zimmertüren wurden eingepasst, die ehemalige Waschküche im Hof zum Badehaus umgebaut.

In diesem Haus steckt viel Engagement und Eigenarbeit – und das seit dreißig Jahren. Bereits 1977 wurde es besetzt, zeitgleich mit Häusern in der Marienstraße, die die Lessingstraße kreuzt. Aufgrund des großen Leerstands von Altbauten – 32.000 sollen 1976 in Köln leergestanden haben – war dieser Teil Ehrenfelds viele Jahre lang eine regelrechte Anlaufstelle für Hausbesetzer. Unter der Überschrift »Besetzt gegen Abriss« werden in der StadtRevue im Juli 1981 noch 13 Häuser in der Lessing- und Marienstraße genannt: ­Lessingstraße 19, 21, 23, 33, 35 und Marienstraße 21, 23, 30, 32, 34, 36, 37, 39.

Besitz von Eigentum genoss zweifelhaften Ruf

Hintergrund des Kölner Häuserkampfes waren die seit Mitte der 70er Jahre geplanten Umstrukturierungen ganzer Stadtviertel. Der damalige Rahmenplan bezeichnet Ehrenfeld als »absinkenden Stadtteil«, der besonders sanierungsbedürftig sei. Als Probleme benennt er unter anderem »vernachlässigte Wohnungen und Wohnumfelder«, die »hohe Konzentration des Ausländerwohnens« sowie eine große Anzahl ungenutzter Gewerbe­flächen. Das Modernisierungskonzept rief die GegnerInnen auf den Plan: In der Juni-Aus­gabe der StadtRevue 1982 beklagen »Heinz und Micki von der Sanierungsgruppe Ehrenfeld«: Nach der Modernisierung »kostet dann eine 3-Zi-Wohnung so um die 800 DM!« Heutzutage klingt der Preis nach einem echten Schnäppchen, damals bedeutete das mehr als eine Verdoppelung der Miete.

Anfang der 80er Jahre war Köln mit dreißig Häusern und rund 300 Besetzern nach Berlin die Stadt mit den meisten Besetzungen. Eine weit verbreitete Losung lautete: »Die Häuser denen, die drin wohnen«. Damit ­wollten die Besetzer mitnichten ein Kauf­interesse bekunden. Im Gegenteil: Eigentum im allgemeinen und Immobilienbesitz im besonderen genoss in der Szene einen eher zweifelhaften Ruf. Doch in etwas abgewandelter Form folgen die BewohnerInnen der Lessingstraße 33 heute der Losung von damals. Sie eignen sich das Haus an, in dem sie wohnen: Sie kaufen es.

Autonome Hausprojekte

Sie sind nicht die ersten, die ein ehemals besetztes Haus in Köln kaufen, die ­Sozialistische Selbsthilfe Köln (SSK) am Salierring hat ihr Haus 2004 ebenfalls gekauft. Doch sie sind die ersten in Köln, die sich dem Freiburger Modell »Mietshäuser Syndikat« anschließen. Das Syndikat arbeitet seit 1992 erfolgreich als bundesweiter Zusammenschluss von autonomen Hausprojekten, die die Immobilie ihrer Wahl zu ihrem Eigentum machen wollen. Dreißig Hausprojekte und 32 Projekte in Planung gehören dem Syndikat mittlerweile an – und die Idee findet immer mehr Anhänger.

Das Modell ist genauso einfach wie clever: Die Hausbewohner gründen erst einen Verein – im Fall Lessingstraße heißt er »DreiLessiDrei« – und dann ein Unternehmen mit der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese GmbH hat einen Vorstand mit zwei Gesellschaftern: der Verein DreiLessiDrei und das Freiburger Syndikat. Zum Stammkapital von 25.000 Euro – das ist die Mindestsumme, die man bei einer GmbH einlegen muss – trägt jeder die Hälfte bei: 12.600 Euro kommen vom jeweiligen Hausverein, 12.400 vom Syndikat. Beide Gesellschafter haben das gleiche Stimmrecht, somit kann keiner den anderen überstimmen. Das ist wichtig, denn das politische Ziel des Syndikats ist es, die Immobilien dem freien Markt und damit der Spekulation zu entziehen. »Es geht um die Neutralisierung von Eigentum«, sagt Jochen Schmidt. Er arbeitet seit 15 Jahren für das Syndikat in Freiburg – ehrenamtlich wie alle anderen auch. Zehn Engagierte umfasst die Kerngruppe, die sich ums laufende Geschäft kümmert.

Gemischte Finanzierung

Um also eine Reprivatisierung der Immobilie auch in Zukunft zu verhindern, gibt es die rechtliche Pattsituation mit zwei gleichberechtigten Gesellschaftern. Wenn der eine auf dumme Gedanken kommt, kann er durch den anderen blockiert werden. Relevant sei vor allem, so Schmidt, dass der Gesellschaftervertrag keinerlei Anreiz böte, auszuscheren: »In ihm ist festgelegt, dass bei Ausscheiden aus der GmbH nur der ursprüngliche Anteil am Stammkapital ausgezahlt wird. Die zwischenzeitliche Wertsteigerung wird explizit nicht berücksichtigt. Eine Auflösung der GmbH ist also ökonomisch nicht vorteilhaft.« Der Vertrag schließt auch eine so genannte feindliche Übernahme aus, das heißt den Verkauf eines GmbH-Anteils durch einen Gesellschafter gegen den Willen des anderen.

Das Stimmrecht des Syndikats ist aller­dings auf einige wenige grundsätzliche Fragen beschränkt, den Hausverkauf etwa oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Alle anderen Angelegenheiten regelt der Hausverein alleine: Wer zieht ein? Wie wird renoviert? Woher kommen die Kredite? Wie hoch ist die Miete? Die Autonomie der einzelnen Projekte bleibt so gewährleistet.

Die Sicherheit, dass das Haus dauerhaft dem Markt entzogen wird, war für die Leute von DreiLessiDrei ein wichtiger Grund, sich für die Syndikats-Idee zu entscheiden. »Es war immer möglich, dass Leute mit wenig Geld hier wohnten. Das soll so bleiben, auch wenn ich vielleicht irgendwann nicht mehr hier wohne«, sagt Klaus Welz, der seit 1995 in der Lessingstraße 33 lebt. Zu fünft werden sie zukünftig wohnen, auf 170 Quadratmetern. Finanzieren will DreiLessiDrei das Vorhaben mit einer Mischung aus Bank- und Direkt­krediten aus dem privaten Umfeld.

»Es geht um die Neutralisierung von Eigentum«

Wo aber kommt das Geld her, mit dem sich das Syndikat am Kauf von Häusern in Berlin, Dresden, Frankfurt, Freiburg, Tübingen oder Köln beteiligt? Pro Hauskauf ­fallen immerhin 12.400 Euro als Stammkapital an. Eine Aufnahme in den Verein »Mietshäuser Syndikat« geht einher mit einer Verpflichtung, in einen Solidarfonds einzuzahlen. Zehn Cent pro Quadratmeter und Monat beträgt der Mindestsatz, der sich im Laufe der Jahre erhöht – abhängig von der Miete, die in den Häusern gezahlt wird. Aus diesem Solidarfonds entnimmt das Syndikat das Geld für den Erwerb weiterer Immobilien.

Die Altprojekte unterstützen die ­Neuprojekte – so lässt sich imgrunde das ­Prinzip des Syndikats zusammenfassen. Was so schlicht klingt, ist tatsächlich »ein Kontrastprogramm zum kapitalistischen Investi­tionsverhalten«, wie es die Syndikatsmitglie­der selbst formulieren. Die Solidarität beschränkt sich dabei nicht auf die Finanzen. »Unsere Hauptarbeit besteht gar nicht darin, Geld­geber zu sein«, erzählt Jochen Schmidt. »Meist geht es um praktische Hilfe bei Kaufverhandlungen oder bei Kreditgesprächen mit der Bank. Wir stellen Erfahrung und Know-how zur Verfügung.«

Die Erfahrung zeige, dass die Berührungsängste gar nicht so sehr auf Seiten der Banken bestehe, »das sind ­Profis. Ihnen muss man das Modell vor allem ausführlich er­klären. Dann finden sie es gut oder lehnen es ab«, so Schmidt. Die Berührungsängste bestünden eher auf Seiten der selbst organisierten Hausprojekte: »Da müssen wir schon mal Händchen halten.«

Infoveranstaltung des Syndikats in Düsseldorf am
2. Mai, Linkes Zentrum, Corneliusstr. 108 (Hinterhof), 19.30 Uhr.