Köchelnde Aggression

Regisseur Nils Daniel Finckh verpasst ­Fass­binders »Katzelmacher« eine Frischzellenkur

Das Thema um die ewige Angst vor dem Fremden, die sich in Fassbinders fünfzig Jahre altem Drama in der Dumpfheit eines jugendlichen Provinz-Prekariats widerspiegelt, kommt in der im Heute angesiedelten Inszenierung von Nils Daniel Finckh als wuchtige Groteske daher. Seine überspitzten Figuren sind von schlichtem Gemüt und die Alltagskonflikte, sexuelle wie ökonomische, werden mit vehementer verbaler und körperlicher Gewalt ausgetragen. Es ist die zementierte Perspektivlosigkeit, die sich in dem illustren Panoptikum der Gestalten manifestiert. 

 

Die Personen verschmelzen zur dumpfen Masse, die im Chor gegen das Nichts anbrüllt, bis sich langsam einzelne Schicksale und Paarbeziehungen herauskristallisieren. Da ist Elisabeth, die dralle Dorfmetzgerin, die verzweifelt ihren mittellosen Angestellten Bruno begehrt. Erich, ein dürrer Stecher mit düsterem Blick, begattet Helga, bis diese schwanger wird und der künftige Vater damit liebäugelt, das »Problem« im See zu ertränken. Gunda träumt davon, Karriere als Schlagersängerin zu machen und hat wohl doch nur Pauls letztes Geld einem Geschäftemacher aus der Stadt in den Rachen geworfen. 

 

In diesen Hort der Trostlosigkeit platzt Akilah, eine junge Flücht-lingsfrau aus Libyen, die bei Elisabeth für kleines Geld und Kost und Logie arbeiten soll. Die Ankunft der schönen Fremden, die Davina Donaldson mit einer Aura von Unschuld und Eros versieht, ist der Katalysator, der die latent vor sich hin köchelnde Aggression dieser erstarrten Gesellschaft zum erup-tiven Ausbruch führt. Die eigene ökonomische Wertlosigkeit wird den Jugendlichen ebenso vor Augen geführt, wie die unterschwelligen sexuellen Sehnsüchte, die bei den ortsansässigen Frauen Neid und
bei den Männern Begehren her-vorlocken.

 

Mit wohligem Schauer verfolgt man das wilde Treiben und ergötzt sich gleichzeitig an dem dynamischen Spiel der Akteure, die mit grandioser Spielfreude ihre Rollen ausreizen. Sinnlich und saftig gibt sich das Spektakel, bei dem das reichlich vergossene Theaterblut grell im Schimmer der gnadenlosen Neonröhren schimmert. Das Wüten hat erst ein Ende, als die Ordnung wiederhergestellt ist und die Ag-gres--sionskultur, durch einen dünnen Firnis aus Normen bedeckt, gebändigt ist. Vorübergehend, denn die Vernunft hat bei diesen Jagdszenen aus »Dunkeldeutschland« schon vorab Reißaus genommen. 

 

 

28.11., 12., 23.12 (20 Uhr), 3.12. (18 Uhr), Theater der Keller