Eisgöttin: Isabelle Adjani in »Possession«

Erste Küsse, Sex mit mit dem Tentakel­monster und eine Silvesterrevolte

"Out of the Past": Die besten alten Filme führen uns diesen Monat in ein neues Kino - die Lichtspiele Kalk

Dreimal Frauen in existenziellen Krisen — mal mehr, mal weniger lebensbedrohend. Die neue Reihe »Cinemania« in den neu eröffneten Lichtspielen Kalk startet mit dem Teenfilm-Kracher La Boum (1980) von Handwerksmeister Claude Pinoteau. Vic (Sophie Marceau) weiß darin vor lauter Bauchschmetterlingsschwärmen nicht mehr ein, noch aus — was aber unendlich fluffig wirkt im Vergleich zur Ehekrise ihrer Eltern. Und während Vic dem Publikum geschlechterübergreifend den Kopf verdreht, sind die wirklich interessanten Frauenfiguren ihre Mutter Françoise (die große Brigitte Fossey) und ihre Großmutter Poupette (die unvergleichliche Denise Grey).

 

Schaut man den Film heute, staunt man darüber, was man Teenagern damals intellektuell und emotional so alles zutraute, auch an Subtilitäten. La Marceau wurde bald nach Erlangung der Volljährigkeit die Lebensgefährtin von Polens Kinoberserker Andrzej Żuławski, der ein Jahr nach »La Boum« die Eisgöttin Isabelle Adjani in Possession (1981) mit einem Tentakelmonster in einer heruntergekommenen Berliner Wohnung verkuppelte. Something Weird Cinema zeigt dieses top Frontstadt-Paranoia-Monument um Doppelgänger und Spione, das verblüffend wirklichkeitsecht am Rande zum Küchenspülen-Realismus wirkt, ebenfalls in ihrer neuen rechtsrheinischen Heimat Lichtspiele Kalk.

 

Wiederum ein Jahr darauf, gleiche Stadt, doch diesmal in schwarzweiß, geht Katharina Thalbach in Domino (1982) an der Menschenkälte der sterbenden Helmut-Schmidt-Republik ein. Der Film von Thomas Brasch läuft im Filmclub 813, der zwischen den Jahren zu Hochform aufläuft. Sehr zu empfehlen ist das Silvesterkurzfilmprogramm: Gezeigt wird unter anderem Kameraroutinier Elsemér Ragályis Avantgarde-Exerzitie Szilveszter (1974). Evoziert wird eine Jahresendrevolte — es geht von Zarah Leander zum Alternativstraßenspektakel, vom Smoking zur Rockerkutte, von steifen Umgangsformen zu lässigen Küssen in Menschenmassen. Handgreiflichkeiten inklusive. Ein Stück robuster Studio-Schönheit. Das kann man auch von Michail Kamenetzkis und Vjatsjeslav Sjilobrejevs Avantgarde-Preziose Der Neujahrswind (1975) behaupten. Pionier Guido Seebers Prosit Neujahr 1910 (1909) erinnert schließlich daran, wie einfach der Kinozauber einmal war, und wie unmittelbar und intim: -Menschen prosten einem von der Leinwand herab zu.

 

La Boum: 26.12., Lichtspiele Kalk, 18:15 Uhr

Domino: 28.12., Kino 813 in der Brücke, 20 Uhr

Possession: 29.12., Lichtspiele Kalk, 21:30 Uhr

Silvester Kurzfilmprogramm: 31.12.,

Kino 813 in der Brücke, 17:15 Uhr