Kürbis und Wirsing

Dieter Kraemer zum 80. Geburtstag

Seit Jahren habe ich in der Küche, leider nur als Postkarte, eine Art memento mori, das mich, wenn die Erde weich ist, daran erinnert, was bald schon droht: Neben überwürzten Kürbissuppen wird es wieder Wirsing in verschiedenen Varianten geben, bestenfalls mit Zitrone und Chorizo. Dieses Wintersymbol, mit vertrockneter Schnittstelle und Flecken, die an der Frische des Kohls zweifeln lassen, hat Dieter Kraemer mit ungeheurer Präzision so naturalistisch auf graublauer Ablage gemalt, dass die dicken weißen Adern danach zu verlangen scheinen, mit scharfem Messer herausgeschnitten zu werden.

 

Brot, Wein, ein Stück Käse, eine Pappschale voll Erdbeeren, Kirschen im Glas oder eine Kasserole, deren Inhalt man erraten muss und die vermutlich bei jedem andere Düfte und Erinnerungen wachruft — diese Stillleben, in der puristischen Tradition eines Jean Siméon Chardin, entstehen seit den 70er Jahren. Häufig taucht eine Fliege neben den Viktualien auf, das klassische Symbol für Verderben und Vergehen. In den 60er und 70er Jahren malte Kraemer auch zahlreiche VW Käfer von großer plastischer Präsenz. In der Bonner Ausstellung gibt es einige der Szenarien mit Auto, voll kühner Überschneidungen und in einem gesellschaftlichen Kontext, der sie als Symbole kleinbürgerlichen Wohlstands erkennen lässt. Die Picknickteilnehmer und die sonnenbadenden Frauen neben den Autos wirken gelangweilt, rechte Zufriedenheit scheint das Wirtschaftswunder nicht produziert zu haben.

 

Aus seiner Geburtsstadt Hamburg ging Kraemer zu Hann Trier nach Berlin und studierte somit bei einem der wichtigsten Vertreter des Informel. Er war einer der wenigen Schüler Triers, die gegenständlich malten, und dabei blieb er ein Leben lang. Dank einer Professur, die Kraemer seit 1973 an der Fachhochschule Köln innehatte, konnte er sein konsequentes, detailreiches Werk unabhängig von Konjunkturen weiter verfolgen. In der Kölner Südstadt fand er zahlreiche Motive, an denen er weitere Studien zur Stofflichkeit durchführen konnte: bröckelnde Fassaden oder weggeworfene Zigarettenschachteln und Schuhe. Die eingangs erwähnten Stillleben sind von einer Konsequenz und Nüchternheit, die nach keiner zeitlichen Einordnung verlangen, die jüngsten stammen aus diesem Jahr.

 

Zu seinem 80. Geburtstag hat ihm nun das LVR-LandesMuseum in Bonn eine Ausstellung gewidmet. Gerne hätte sie an einem etwas schöneren Ort eingerichtet werden dürfen, und etwas mehr Wirsing würde ich auch gerne bald wieder von ihm sehen. 

 

 

LVR-LandesMuseum, Colmantstr. 14–16, 53115 Bonn, Di–So 11–18 Uhr, bis 21.1.