Hat viel zu erzählen: Dogan Akhanli, Foto: Manfred Wegener

Schreiben aus dem Exil

Der Schriftsteller Doğan Akhanlı wurde zwei Monate in Spanien festgehalten. Jetzt hat er ein Buch darüber geschrieben

Wenn jemand etwas erzählen kann, dann Doğan Akhanlı. Am Morgen des 19. August klopfte es an seiner Hoteltür in Granada in Spanien. Vor Akhanlı stehen zwei schwer bewaffnete Polizisten. Sie nehmen ihn vorübergehend fest und leiten seinen Aufenthaltsort an die türkischen Behörden weiter. Laut der Türkei soll Akhanlı 1989 als Mitglied einer terroristischen Vereinigung angeblich an einem Banküberfall teilgenommen haben. 2010 stand er deshalb dort vor Gericht und wurde freigesprochen. 2013 wurde das Verfahren wieder aufgerollt. Beobachter gingen davon aus, dass der Vorgang politisch motiviert ist. Doğan Akhanlı verkörpert das Modell des engagierten Schriftstellers. Seit den 70er Jahren war er in linken Gruppen aktiv. Seine ersten Romane behandelten den von der Türkei nie offiziell anerkannten Genozid an den Armeniern, später schilderte er die Atmosphäre in seiner Heimat vor dem Militärputsch im Jahr 1980. Immer wieder kommt er in seinem Werk auf die Erfahrung von Vertreibung, Verfolgung und Völkermord zurück. Irgendwann wurde er selbst vom Verfolgten zum Vertriebenen: Seit 1992 lebt er in Köln.  

 

Dorthin konnte er nach seiner Verhaftung erst nach zwei Monaten, im Oktober 2017, zurückkehren. Die Zeit im Exil hat er genutzt, um ein Buch zu schreiben: »Verhaftung in Granada oder Treibt die Türkei in die Diktatur?« Es ist ein persönliches Buch, eine Auseinandersetzung mit der eigenen Verfolgung, dem Schreiben im Exil, mit Spanien, das auch immer wieder von seiner faschistischen Vergangenheit heimgesucht wird. Und natürlich schreibt Akhanlı auch über die jüngsten politischen Entwicklungen in der Türkei — und damit auch etwas über Deutschland. Im Sommer 2016, kurz nach dem gescheiterten Militärputsch, hieß es aus der deutschen Politik, man solle »innertürkische Angelegenheiten« nicht hier austragen. Wie die Journalisten Deniz Yücel, Meşale Tolu und der Soziologe Sharo Garip wurde jedoch auch Akhanlı von großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit unterstützt. Bei seiner Ankunft in Düsseldorf wurde er als »Landesverräter« beschimpft. Das Land, das er verraten haben soll, ist die Türkei — nicht das Land, in dem er seit zweieinhalb Jahrzehnten zu Hause ist.

 

Doğan Akhanlı: »Verhaftung in Granada oder Treibt die Türkei in die Diktatur?« KiWi, 224 S. 9,90 Euro