Ballermann ohne Strand

Diesen Monat reiht sich in der Eventstadt Köln wieder ein Großereignis an das nächs­te: Altstadt-Lauf, Deutzer Straßenfest, City-Festival zur Gamescom — was viele Menschen nach Köln lockt, nervt im­­mer mehr Kölnerinnen und Kölner. Eine Debatte über den Sinn von Events ist ­entbrannt. Wie viele Schlagerbühnen und Fressbuden, wie viel Lärm und Müll, wie viel Ballermann tut der Stadt gut?

Köln ist Eventstadt. Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem nicht Straßen in der Innenstadt gesperrt sind, Schlagerbühnen die Nachbarschaft beschallen, Verkaufsstände auf Plätzen auf-gebaut werden oder Junggesellenabschiede und Fuß-ballfans aus dem Umland die Stadt kapern. Das passt zu Köln, der Stadt, die sich als gesellig, vielfältig und welt-offen präsentiert.

 

Zwar stolpert man an jeder Ecke über 2000 Jahre -Kultur, aber eigentlich ist Köln der Spaßvogel unter den Großstädten, der es gern laut und bunt hat. Hier werden selbst auf dem Weihnachtsmarkt Karnevalslieder angestimmt, und auch der FC-Abstieg gerät zur Jubel-Party. 

 

Zur Eventstadt gehören aber auch verstopfte Straßen, überfüllte Bahnen, Müll und Lärm. Seit dem letzten Elften im Elften, dem Auftakt der Karnevalssaison, werden im-mer mehr Stimmen laut, die Stadt müsse ihr Ballermann-Image ablegen. Anwohner sind genervt, und die Stadt befürchtet, dass zu oft die Bilder von Besäufnissen, Randale und totaler Enthemmung in die Welt getragen werden. 

 

Es wird über Qualität und Niveau diskutiert, man fragt sich plötzlich, wem diese Events eigentlich nützen: den Veranstaltern? Hotels und Geschäften? Dem Ziel, im Wettbewerb der Städte mehr Freizeittouristen und Geschäftsreisende anzuziehen? Aber was haben die Menschen davon, die hier wohnen, wenn die Innenstadt für den Köln-Marathon gesperrt wird oder der Karneval die Stadt in ein Schlachtfeld verwandelt?

 

Werden die Kölner Lichter für Menschen aus Rodenkirchen und Mülheim veranstaltet, oder eher für Städte-reisende aus der Eifel oder dem Sauerland? Und was haben Köln-Marathon, Rund um Köln oder das City-Festival der Gamescom mit Köln zu tun? 

 

 

 

»Bunt im Block«: nicht genehmes Veedels-Fest

 

Streit gab es zuletzt aber nicht nur um Groß-Events, sondern ausgerechnet um kleinere Veranstaltungen in den Veedeln. Thomas Schmeckpeper hat im vergangenen Jahr erfahren, wie erbittert in Köln über Straßenfeste gestritten werden kann. Schmeckpeper ist 33 Jahre alt und wohnt in Sülz. Als Student war er Mitinhaber einer Bar im Belgischen Viertel und hatte dadurch öfter mit dem Ordnungsamt und anderen Behörden zu tun. Im Jahr 2012 fragte ihn der Sozialwissenschaftler Davide Brocchi, ob er ihm bei der Organisation eines neuartigen, politischen Straßenfests in Ehrenfeld helfen könne, dem Tag des guten Lebens, bei dem auf autofreien Straßen Platz für nachbarschaftliche Aktionen geschaffen werden sollte.

 

2017 begann Schmeckpeper dann, im Auftrag zweier Gastronomen ein autofreies Nachbarschaftsfest in der Südstadt zu organisieren, unkommerziell, aber ohne politischen Überbau. »Wir wollten ausprobieren, was passiert, wenn wir für einen Tag die Straßen sperren und die Anwohner selbst die Regie übernehmen.« Bunt im Block sollte das Fest heißen, Ende Mai sollte es stattfinden. Doch dann entzündete sich ein heftiger Streit. Auf Info-Abenden im Vorfeld schrien sich Anwohner an, zwei Südstädter starteten eine Online-Petition und sammelten Unterschriften gegen Bunt im Block. Man brauche nicht noch ein Straßenfest in der Südstadt, Schluss mit dem Remmidemmi, und überhaupt habe man genug von der Kommerzialisierung des öffentlichen Raums.

 

Schmeckpeper suchte das Gespräch mit den Kritikern, versuchte zu erklären, dass er mit dem Fest etwas anderes im Sinn habe. Doch die Wogen waren nicht mehr zu glätten. Obwohl sich die Bezirksvertretung Innenstadt noch für das Fest aussprach — gegen die Stimmen von SPD und CDU — gab das Ordnungsamt am Ende keine Genehmigung. Kaum vier Wochen vor dem Termin musste Schmeckpeper das Fest absagen, die Veranstalter blieben auf einem fünfstel-ligen Betrag sitzen.

 

 

 

»Das Ordnungsamt ist eine Blackbox«

 

Im Ordnungsamt leitet Dirk Schmaul die Abteilung für die Nutzung öffentlicher Flächen. Er entscheidet darüber, was geht und was nicht. Manches geht nicht, weil es gegen Vorschriften verstößt, aber manchmal geht es eben doch, wenn eine Veranstaltung »von öffentlichem Interesse« ist. Ob sie das ist, darüber entscheidet letztendlich Dirk Schmaul. Manche finden, der Abteilungsleiter habe zu viel Macht, seine Entscheidungen seien nicht transparent.

 

»Das Ordnungsamt ist eine Blackbox«, sagt Andreas Hup-ke. »In diese Blackbox müssen transparente Fenster rein. Es kann nicht sein, dass eine Person, ob nun als Leiter oder Sachbearbeiter, so viel Macht hat.« Der Grünen-Politiker ist seit 14 Jahren Bezirksbür-germeister der Innenstadt. Hier finden zwischen Südstadt, Altstadt, Deutz und Nordstadt mit Abstand die meisten Großveranstaltungen statt. Events und der öffentliche Raum — dieses Thema wühlt Andreas Hupke auf. »Überall wird Transparenz gefordert, aber bei Genehmigungen von Events drängt sich oft der Eindruck reiner Willkür auf — und kaum einer stört sich daran.« So führte der damalige Chef des Ordnungsamts, Engelbert Rummel (CDU), den Sonntagsschutz gegen Bunt im Block an. Dies hindert ihn und seine Mit-arbeiter freilich nicht daran, viele Dutzend andere sonntägliche Veranstaltungen zu genehmi-gen. Auch die Unterschriften der Gegner werden unterschiedlich gewichtet: Bei Bunt im Block sind die nicht -einmal 300 Stück von Belang. Als im Jahr 2013 aber mehr als 800 Anwohner gegen ein Straßenfest in Sülz unterschrieben, war das kein Hinderungsgrund.

 

In einem Offenen Brief forderten Thomas Schmeck-peper und weitere Unterzeichner im April Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Stadtdirektor Stephan Keller (CDU) auf, darzulegen, nach welchen Kriterien Veranstaltungen bewertet und genehmigt werden. Eine Antwort haben sie bis heute nicht erhalten. Die Absage ihres Fests sei eine »schallende Ohrfeige für all jene, die sich aktiv für eine neue, verantwortungsvolle und auf Partizipation begründete Nutzung des öffentlichen Raumes engagieren«, sagt Thomas Schmeckpeper.

 

Es war Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der Köln Anfang des Jahrtausends zur »Eventstadt« ernannt hatte. Dafür wurden jahrelang systematisch öffentliche Plätze verscherbelt. Kaum ein Tag, an dem auf dem Neumarkt, am Alter Markt oder auf dem Heumarkt nicht ein -Autosalon oder eine Immobilienbörse stattfand. 

 

Vor zehn Jahren bekam Köln dann ein Platzkonzept, mit dem Grüne und SPD das Treiben auf den Innenstadtplätzen in geregeltere Bahnen lenken wollten. Es sollten qualitätsvollere, vor allem aber weniger Veranstaltungen -stattfinden. Das war dann das Ende der »Bier-Börse«
auf dem Neumarkt. 

 

Schramma habe mit seinem »undifferenzierten Begriff von der Eventstadt auch alle negativen Erscheinungen nach Köln geholt«, sagt Jörg Frank, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Rat. »Und jetzt fallen hier die Junggesellinnen und Junggesellen ein wie die Heuschrecken.« Schrammas Nachfolger Jürgen Roters (SPD) habe sich nicht dafür eingesetzt, den Ballermann-Effekt zurückzudrängen. -Aus Angst, den Anschluss an andere Städte zu verlieren, lancierte Roters noch 2009 eine Werbekampagne, um mehr Besucher zum Shoppen nach Köln zu locken. »Köln — fahr hin und du bist mittendrin« hieß der Slogan, mit dem er die »Einkaufs- und Eventstadt« bewerben ließ. Nur mit Events, nur mit noch mehr verkaufsoffenen Sonntagen sei der darbende Einzelhandel zu retten. »Eine Fehlprognose, und jetzt bekommt die Stadt diesen Aufkleber nicht wieder ab«, so Frank. 

 

Daran seien aber auch Kölner selbst schuld — etwa, wenn die Brauerei Gaffel mit dem Event »Jeck im Sunnesching« völlig brauchtums- und sinnfrei im September Karneval feiere. »Auch prominente kölsche Musikgruppen sind ja für jede Ferkelei zu haben, wenn es Gage gibt — da fehlt es an Haltung.« Der eigent-liche Kar-neval drohe durch die Vermarktung seinen Charakter zu verlieren. 

 

Köln brauche natürlich Events, sagt Frank. »Köln könnte sich als vielfältige Kulturstadt mit Qualität viel besser europäisch positionieren. Aber es müssten auch viel stärker nicht-kommerzielle, gemeinschaftsorientierte Feste unterstützt werden«. Der Tag des guten Lebens sei hier ein Vorbild. »Bei mir entsteht aber der Eindruck, dass die Strippenzieher im Ordnungsamt gern den altbekannten Kommerz-Veranstaltern den Vorzug geben und bürgerschaftliche Aktivitäten ausbremsen.« 

 

 

 

»Qualität ist ein schwammiger Begriff«

 

Auch die Arbeit in der Stabsstelle Events im Büro der -Oberbürgermeisterin halten manche für undurchsichtig. Unter drei OBs — von Schramma über Roters bis Reker — und seit 25 Jahren ist Günter Wieneke hier der Leiter und plant und organisiert. Er ist hauptamtlich angestellt, zugleich aber auch Geschäftsführer seiner Firma Mediakultur Köln. Er hat beste Kontakte in die Veranstaltungsbranche, und auch wenn er kein ausgebildeter Event-manager ist, ist Wieneke Profi. Unter seiner Ägide fanden in Köln Großveranstaltungen wie der Weltjugendtag 2005, die Fußball-WM 2006 oder der Evangelische Kirchentag 2007 statt. Auch den G8-Gipfel 1999 hat Wieneke mitorganisiert. Nachdem die Musikmesse Popkomm 2003 nach Berlin abwanderte, koppelte Wieneke das begleitende Ringfest, das er mit seiner Firma seit 1997 organisiert, ab 2009 an die Gamescom. Für dieses Jahr hat er zusätzlich eine aufwändige Licht-Installation geplant. 

 

Wieneke meint, Köln benötige qualitätvolle Events, aber Qualität sei eben ein schwammiger Begriff. Auch er ist letztlich darauf angewiesen, dass das Ordnungsamt die Veranstaltungen zulässt, etwa wenn Anfang August Patti Smith und Van Morrison auf dem Roncalliplatz vor dem Dom auftreten.

 

»Ich erlebe die Eventstadt Köln grundsätzlich als -positiv, weil es einen Teil der Attraktivität ausmacht, sowohl für die Menschen, die hier leben, als auch für die, die hier wohnen wollen oder sich beruflich hier hin orientieren«, sagt Christian Joisten, wirtschaftspolitischer -Sprecher und seit kurzem auch Chef der SPD-Fraktion im Stadtrat. »Dass Köln wächst, hat auch damit zu tun, dass hier was los ist.« Um aber die Nutzung von öffentlichem Raum, Lärm, Abfall, starken Verkehr und das Ruhebe-dürfnis der Bürger auszubalancieren, brauche es mehr Steuerung in der Verwaltung. »Bislang gibt es niemanden, der Events koordiniert und aufs große Ganze schaut.« Am zweiten Juni-Wochenende fand zugleich das Radrennen »Rund um Köln« und das Südstadt-Fest mit zahlreichen Bühnen statt. Rheinuferstraße und Bonner Straße waren gesperrt, was zum Verkehrschaos führte. Joistens Kritik richtet sich auch gegen Stadtdirektor Stephan Keller und das Büro von Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Dabei wollte gerade Reker das Image von Köln nach dem vergangenen Elften im Elften aufpolieren. Sie berief einen Runden Tisch ein. »Weder unseren Karneval noch das Ansehen unserer Stadt wollen wir uns kaputt machen -lassen«, so Reker. Mehr Polizei, mehr Klo-Kabinen und eine weitere Bühne an der Uni, um den Ansturm zu zerstreuen, dämpften dann an Weiberfastnacht den Krawall auf das gängige Level. Aber eine Idee, wie sich Köln grundsätzlich im Event-Tourismus darstellen soll, gibt es nicht.

 

2012 führte eine Agentur im Auftrag der Stadt eine Mar-kenanalyse durch. Die Ergebnisse enttäuschten manche Erwartungen. So war Köln für Unternehmen zwar als Messe- und Tagungsstandort attraktiv, als Forschungs-standort hingegen nicht. Dabei will Köln sich gerade hier profilieren. Ernüchternd auch, wie Städtereisende Köln sehen: nicht kulturelle Angebote, sondern Dom und Brauhäuser besaßen die größte Anziehungskraft. Das dürfte sich auch sechs Jahre später nicht grundlegend geändert haben. Dennoch arbeitet die Stadt daran, anders wahr-genommen zu werden.

 

Viele sind genervt von Dauerbeschallung und -Marktschreierei. Sie wollen kein Höher-Schneller-Weiter, sondern entdecken die Nachbarschaft neu. In der ewig als Feier-Metropole beworbenen Stadt hat sich etwas angestaut, das sich in der Südstadt kürzlich an den Planern von Bunt im Block entlud. Ob die Wut aber die Rich-tigen getroffen hat, ist fraglich. »Es ging uns ja gerade nicht um Konsum und Kommerz, sondern darum, dass die Nachbarn sich mit Aktionen beteiligen, dass Kinder auf der Straße spielen können«, sagt Thomas Schmeckpeper. 

 

Der Großteil der etwa 150 Straßenfeste, die jedes Jahr in Köln stattfinden, verläuft anders. Fressbuden, Schlagerbühnen und Stände, deren Inhaber nichts mit dem Veedel zu tun haben — nach diesem Muster organisiert Wilhelm von der Gathen seit vierzig Jahren Straßenfeste in Köln. Ob in Porz, Ehrenfeld oder Sülz, die Feste sehen überall gleich aus. Doch immer mehr Interessengemeinschaften in den Vierteln wollen für ihre Straßenfeste mehr als nur Kölsch, laute Musik und Handyhüllen--Verkäufer. In Nippes lassen sich die Karnevalisten der -Bürgerwehr ihr traditionelles Straßenfest nicht mehr von Wilhelm von der Gathen organisieren, ebenso die Aktionsgemeinschaft Bonner Straße, Chlodwigplatz (ABC).

 

Am radikalsten aber ist der »Tag des guten Lebens«, der 2012 erstmals in Ehrenfeld stattfand, und für den auch Thomas Schmeckpeper bis vor einem Jahr gearbeitet hat. Nachbarn trugen Tische vors Haus, gemeinnützige Vereine stellten ihre Arbeit vor, Kinder traten mit Lieblingswitzen auf. Beim Tag des guten Lebens im Agnesviertel mussten Besucher lange suchen, bis sie einen Essensstand finden konnten. Dann gab es Pfannkuchen oder Nudelsalat, aber nur geschenkt oder gegen Spende. -Der Tag des guten Lebens als Anti-Ballermann.

 

Auch die professionellen Kölnvermarkter wollen nicht, dass Köln zum Ballermann verkommt. Sie sind längst auf die neuen Formate aufmerksam geworden. Köln als Tourismus- und Kongress-Standort bundesweit und interna-tional vermarkten, dafür ist das städtische Unternehmen Kölntourismus zuständig. »Köln steht für eine weltoffene, gastgebende und freundliche Stadt. Die Kölner freuen sich ja, wenn sie Gäste haben«, sagt Stephanie Kleine Klausing aus der Geschäftsleitung. »Wir sehen unsere Aufgabe auch darin, dass der Tourismus als positiver Faktor wahrgenommen wird. Das Zusammenspiel von Gästen und Einheimischen ist wichtiger geworden als früher.« 

 

Zwar wird Reisenden im Service-Center westlich vom Dom auch das Naheliegende geboten, bis hin zu 4711-Flakons oder Kissen in Dom-Form. Aber längst präsentiert man Köln auch mit anderen Schwerpunkten, »Köln mit Kindern« oder »Urlaub mit Hund« sind dann ebenso ein Thema wie die schwul-lesbische Community in Köln. Gerade wird mit »Culinary Cologne« das Trend-Thema Essen und Ernährung jenseits vom Brauhaus-Besuch bedient. »Gerade Menschen, die die Sehens-würdigkeiten schon kennen, kommen wieder, weil sie die Stadt so erfahren wollen wie die Kölner selbst.« Auch kleine Events in den Veedeln seien durchaus ein Reise-anlass, sagt Stephanie Kleine Klausing. »Der Trend geht zu travel as a local, also Einheimischer auf Zeit zu sein. Dazu gehören auch Dom, Rhein und Museen, aber auch, zu wissen, wo die Kölner hingehen, und das muss nichts Großes sein«, so Kleine Klausing. »Individuellere Erlebnisse, mit Einheimischen in den Veedeln, könnten bei anspruchsvollen Individualreisenden auch die Verweildauer verlängern.«

 

 

 

Das viel los ist, liegt auch an der Messe

 

Kölner Lichter, Köln-Marathon, CSD, das Ringfest zur Gamescom, fast alle großen Veranstaltungen finden in der Innenstadt statt. Warum nicht mal ein Modefestival in Kalk? Oder eine große Silvesterparty mit Feuerwerk in Porz?

 

Dass so viel in Köln los ist, liegt auch an der Messe. Viele der Veranstaltungen dort werden von Events be-gleitet, etwa dem Gamescom-Cityfestival, dem »Anuga Gourmet-Festival« oder einer Domillumination zur Photokina. Ende 2009 schlossen sich Unternehmen mit Stadt und Messe zur Initiative »Messestadt Köln« zusammen. »Seitdem gab es zahlreiche Aktionen, die das jeweilige Messethema in der ganzen Stadt erlebbar gemacht haben und zur Standortförderung Kölns beitragen«, sagt Guido Gudat, Pressesprecher der Messe. Hinzu kommt die Nähe zur Innenstadt, in anderen Städten liegt die Messe weit außerhalb. 

 

Aber Bezirksbürgermeister Hupke hat noch eine andere Erklärung für das Dauerfeiern in der Innenstadt. »Viele Rats-politiker und Verwaltungsmitarbeiter leben in den grünen, ruhigen Vororten. Denen ist es egal, wenn die Innenstadt jedes Wochenende abgesperrt und zu-gemüllt wird.« Hupke fordert, »dass gerade die Bezirke erheblich mehr mit darüber zu entscheiden haben sollen, welche Events sie haben wollen und welche nicht.« Thomas Schmeck-peper sieht das ähnlich. »Warum stärkt man nicht die Bezirke und lässt sie im Gespräch mit den Anwohnern selbst entscheiden? Dann stellt sich vermutlich heraus, dass Zollstock eine ganz andere Veranstaltung braucht als etwa Ehrenfeld.« 

 

 

 

»Festivalarea« und »Infotainment in erhöhter Dosis«

 

Events sind eigentlich ein Mittel, um Touristen in Städte zu locken, die sonst nicht viel Aufmerksamkeit erhalten. Ein Musikfestival, eine Sportveranstaltung oder eine Groß-Kirmes sind oft das einzige, was man mit kleineren Städten verbindet. Doch Kölner Wirtschaftspolitiker führen gern an, dass auch Köln von Events profitiere: Denn wer hier ein Feuerwerk-Spektakel, ein Open-Air-Konzert vor dem Dom oder die Weihnachtsmärkte besuche, der gebe in Köln auch Geld aus. Dafür hat Köln aber auch einen Preis zu zahlen. Dass sich zur Gamescom die Innenstadt in eine »Festivalarea« verwandle und »Infotainment in erhöhter Dosis« geboten werde, sagen nicht genervte Anwohner — das ist die PR-Sprache der Veranstalter für ihr Event Ende August.

 

Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke will ein Gremium, das Kriterien für qualitätvolle Events er-arbeitet und nach diesen Maßstäben auch genehmigt. Solche Leitlinien gibt es bislang kaum. Oberbürgermeis-terin Henriette Reker sagt nun, die Verwaltung wolle künftig bei Anträgen für Veranstaltungen im öffentlichen Raum »stärker als bisher eine ämterübergreifende Be-wertung vornehmen« — und zwar, um nicht einer »Baller-mannisierung der Feierkultur Vorschub zu leisten«. Enge programmatische Vorgaben durch die Stadt brauche es aber nicht, dafür seien die »Bedarfe unserer Stadtge-sellschaft zu vielfältig«.

 

Ulrich Soénius von der IHK sagt, dass Events nicht nur dem Einzelhandel helfen, sondern auch »ein Zeichen von Toleranz in einer bunten Gesellschaft« sein können. Dies befördere »das Gefühl von einer Stadtgesellschaft, die füreinander einsteht, und dies wiederum lädt Außenstehende ein, sich in Köln niederzulassen.« Wenn nur nicht das Problem wäre, dass manchmal mehr Menschen kommen, als man dachte. »Wenn man sich permanent selbst feiert und Lobeshymnen auf die eigene Stadt singt, muss man sich nicht wundern, wenn Leute von außerhalb kommen und das auch mal erleben wollen«, sagt Thomas Schmeckpeper. Und dann kommen auch Menschen, die sich anders benehmen, als sie sollten, etwa bei den Übergriffen am Hauptbahnhof in der Silvesternacht 2015. Als man sich im folgenden Jahr wunderte, weshalb erneut so viele junge arabischstämmige Männer anreisten, gab die Polizei danach eine Untersuchung in Auftrag. Ergebnis: Im Umfeld dieser jungen Männer genieße Köln als »Feier- und Eventstadt höchste Attraktivität« und sei in ihren Augen »die einzig wahre Metropole in Mitteleuropa«.