Trägt am liebsten weiße Weste: Jochen Ott

»Das ist faktenfrei!«

SPD-Chef Jochen Ott über die Stadtwerke-Affäre, und seinen Ärger über »Köln kann auch anders«

 

Herr Ott, die Initiative »Köln kann auch anders« wirft Ihnen mangelnde Aufklärung in der Stadtwerke-Affäre vor. Warum erklären Sie der Öffentlichkeit nicht, warum Ihr Ex-Fraktionsvorsitzender Martin Börschel von CDU-Chef Bernd Petelkau und Grünen-Fraktionschef Jörg Frank auf einen Posten bei den Stadtwerken gehievt werden sollte?

 


Ich kann nicht für CDU und Grüne sprechen. Wir stellen uns dennoch der Aufklärung. Die SPD hat mehr als ein halbes Dutzend Veranstaltungen durchgeführt, Sitzungen mit allen Ortsvereinsvorsitzenden, dem Vorstand und der Ratsfraktion. Wir haben Beschlüsse gefasst, unter anderem, um den Public Corporate Governance Kodex anzupassen. Überall wurde diskutiert! Klipp und klar: Es war ein Fehler. Das haben wir mehrfach betont.

 

 

 

Bislang gelten die Grünen als die einzige Partei, die die Affäre auch aufarbeiten will.

 


Ein Witz! Deren Fraktion hat doch im Vorfeld diskutiert und zugestimmt! Parteiführung und Fraktion wussten als einzige, was geplant war. Aufklärung à la Grün heißt vor allem, intern die Machtfrage zu stellen und im Übrigen auf die anderen zu zeigen.

 

 

Die Affäre geht weiter. Im Rat wollten CDU, Grüne und FDP OB Reker zur neuen Chefin des Stadtwerke-Aufsichtsrats machen. Aber die SPD hat mit den Arbeitnehmern und der Linken den Arbeitnehmervertreter Harald Kraus gewählt. Ein bislang einmaliger Vorgang.

 


Die Arbeitnehmervertreter haben gesagt, wenn die Anteilseigner sich nicht einig werden, dann übernehmen wir Verantwortung und lassen nicht zu, dass die Stadtwerke kaputtgemacht werden. Sie vertreten die Interessen der Beschäftigten. Wer glaubt, Arbeitnehmer lassen sich durch die SPD steuern, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Es war ein verheerender Fehler von Frau Reker, den Arbeitnehmervertretern zu unterstellen, sie hätten kriminell gehandelt, und dann deren Stimmen zu erwarten.

 

 

Reker beruft sich auf ein Gutachten.

 


...das wir bis heute nicht zu Gesicht bekommen haben! Übrigens wird schon lange über einen hauptamtlichen Geschäftsführer gesprochen, weil die Stadtwerke sich für die Zukunft gut aufstellen müssen. Ja, es war falsch, den neuen Posten mit der Personalie Martin Börschel zu verknüpfen. Allerdings hat bis heute auch noch niemand behauptet, Börschel wäre ungeeignet. Das hat auch das Personalberatungsunternehmen bestätigt.

 

 

Aber die Affäre befördert die Rede vom roten Filz in Verwaltung und städtischen Unternehmen.

 


Der nächste Unsinn: Frank Deja von »Köln kann auch anders« sagt, man sähe am Stadtarchiv-Einsturz 2009, was passiert, wenn man Posten nicht nach Qualifikation besetze. Das ist faktenfrei! Zehn Jahre zuvor wurde das Kölner Tiefbauamt zerschlagen, CDU und FDP wollten das. So hat sich die KVB beim U-Bahn-Bau selbst beaufsichtigt. Das war eine politische Fehlentscheidung im neoliberalen Zeitgeist. Das lag nicht an unqualifiziert besetzten Posten. Von kriminellen Handlungen ganz zu schweigen.

 

 

Behaupten Sie, die SPD habe nie versucht, Mitglieder in der Verwaltung auf wichtige Posten zu setzen?

 


Die Legende vom roten Filz! Spätestens seit 2002 gibt es kein systematisch organisiertes Netzwerk von Sozialdemokraten in der Verwaltung mehr! Es gibt starke Amtsleiter, die Netzwerke haben — aber aus allen Parteien, und auch Parteilose. Allerdings sind in den letzten drei Jahren unter der parteilosen OB Reker so viele Leute mit Parteibuch in Funktionen gekommen wie nie zuvor.

 

 

Das Bündnis von CDU und Grünen ist zerstritten, OB Reker wurde düpiert. Aber auch die SPD findet sich nicht zurecht in der Rolle der Opposition.

 


Wie kommen Sie darauf? Wir werden halt von Jamaika bei vielen Themen überstimmt. Frank Deja aber behauptet im Interview mit der Stadtrevue, die SPD erinnere ihn an das Verhalten der Republikaner in den USA. Die Republikaner hatten in der Opposition die Möglichkeit, die Regierungsarbeit lahmzulegen. Das könnten wir gar nicht, selbst, wenn wir’s wollten! Wer das behauptet, redet wie Trump: ohne Fakten.

 

 

Es wirkt auf uns so, als habe die SPD ihre Wahlniederlage nicht verkraftet.

 


Wir tun Jamaika eben nicht den Gefallen, Themen auszublenden, die denen wehtun. Etwa beim Ausbau des Niehler Gürtels. Wir finden, dass die Grünen mit der Idee einer reinen Fahrradstraße Ideologiepolitik zu Lasten der verkehrsgeplagten Anwohner betreiben. Bei unserer Idee zur autofreien Altstadt verraten die Grünen dagegen ihre eigenen Werte. Wir wollen endlich klare Positionierungen! Deshalb gehen wir auf die Konfliktstellen.

 

 

Aber wie wollen Sie so eine Spaltung überwinden?

 


Man kann doch nur Kompromisse finden, wenn klar ist, was jeder will. CDU und Grüne sparen das aus, um ihr Bündnis nicht zu gefährden. Wir müssen den Finger in die Wunde legen. Gemeinsam sollten wir uns allerdings der Themen annehmen, die brennen: bezahlbare Wohnungen, Schulen, Verkehr. Grüne, wir und die Linke für eine autofreie Altstadt! Und die CDU könnte mit uns den Ausbau des Niehler Gürtels beschließen.

 

 

Sie plädieren für wechselnde Mehrheiten?

 

Das sind neue Töne bei der SPD. Ein Modell für die Zeit nach der Wahl 2020? Es waren doch Frau Reker und Jamaika, die damit in den Wahlkampf gezogen sind! Es sollte nur um die besten Ideen gehen. Alles ein großes Theater, denn so parteipolitisch wie heute war es in Köln noch nie. Was 2020 wird, weiß ich nicht. Wir brauchen jetzt politische Inhalte und eine Stadtführung, die führt und handelt und nicht alle anderen beschimpft. Sonst geht es weiter den Bach herunter und es beteiligen sich noch weniger Menschen an den Wahlen, und das nützt nur den Rechten.