Waiting for no man

30 Jahre nach ihrem Tod wird Christa Päffgen alias Nico als Ikone des Feminismus gefeiert

Sie hat ein turbulentes Leben geführt und ein einzigartiges Werk geschaffen. Aber ihre Geschichte ist keine, in der es zuerst um sie geht. Das Publikum sah Christa Päffgen alias Nico lange Zeit nur durch Andere (z.B. durch Lou Reed), andere sahen in ihr nur sich selbst (z.B. Lou Reed) und Nico selbst kümmerte sich mehr um Drogen als um sich selbst.

 

Mit nur 49 Jahren starb die in Köln geborene Musikerin an einem Herzinfarkt während einer Fahrradtour auf Ibiza. Ihr Geschichte als Aufstieg und Fall einer Muse zu lesen, ist gängig — und falsch. Nicos Geschichte ist die Geschichte einer Selbstermächtigung. Natürlich gefiel die Art und Weise, wie sich die Künstlerin aus der Umklammerung ihrer männlichen Kollegen löste, jenen am wenigsten, die dadurch ihre Macht über sie verloren. Und das waren alle, die in Nico einfach die schöne und mysteriöse Eiskönigin sehen wollten. »My life started after my experience with the Velvet Underground«, sagte Nico selbst. Mit der Unabhängigkeit kam der Fall, ihr einstiger Oheim Andy Warhol soll 1987 die schwer Heroinabhängige einen »fat junkie« genannt und ihr Solowerk für nichtig erklärt haben. Dabei schuf sie mit Alben wie »The Marble Index« ein höchst eigenständiges Werk, das Bands und Künstler von Joy Division bis Björk inspirierte. Das einstige »Pop Girl of 66« verbrachte ihre letzten Jahre fernab von New Yorks glamouröser Kunstszene und dem Bild, dem sie dort gerecht werden sollte. Auf Low Budget-Touren, in einem Van, mit ihrem Manager und manchmal ihrem Sohn Aki. Mit einem Look, der ihren Verfall offen nach außen trug, und dem Raum, ihre ganz eigene Musik zu schreiben.

 

Die Tribut-Veranstaltung »A Frozen Borderline« blendet die Ambivalenz Nicos (ihr Nihilismus trieb auch hässliche Blüten, rassistische Ausfälle zeugen davon) nicht aus. Vor allem aber widmet sie sich einer Künstlerin, die traditionelle Geschlechterrollen demontierte. Drei Künstlerinnen, deren sperrige Musikentwürfe zwingende Wahlverwandtschaften mit Nicos Werk eingehen, werden ihr ein musikalisches Denkmal setzen. Die Kanadierin Jessica Moss gießt mit ihrem auf Geige basierten Post-Rock blutigen Honig über ein noch rauchendes Schlachtfeld, Kárynn schreibt über dasjenige in Aleppo und ihre Erfahrungen in der Diaspora zerrissene R&B-Songs. Und die Amerikanerin Laurel Halo, deren Musik sich im Club verliert und in einer neuen Welt erwacht, formuliert auf ihrem aktuellen Album abgründigen Ambient in bester Nico-Tradition.