Der Bilderphantast

Der angesagte Regisseur Ersan Mondtag gehört nun zum Stammteam am Kölner Schauspiel

Ersan Mondtag hat in den letzten Jahren eine steile Karriere hingelegt. Vor zwei Jahren wurde er erstmals zum Berliner Theatertreffen eingeladen und von Kritikern zum »Nachwuchsregisseur des Jahres« erklärt. Er ist sein eigener Bühnen- und Kostümbildner, die Inszenierungen sind geprägt von einer grandiosen Bildphantasie. Mondtag — 1987 in Berlin als Ersan Aygün geboren — gilt aber auch als schwieriger Theatermann, der Schauspieler und Bühnenarbeiter an den Rand des Wahnsinns treiben kann. So hörte man von den Bühnen in Dortmund und Kassel. Das Kölner Schauspiel übernimmt nun seine auf vielen Festivals gefeierte Berner Inszenierung »Die Vernichtung«, ein Endzeitstück, das Mondtag zusammen mit der Autorin Olga Bach entwickelt hat. 

 

Die erste Arbeit Ersan Mondtags für Köln hatte in der letzten Spielzeit ein ähnliches Thema. In der »Wonderland Ave.« werden in naher Zukunft die überflüssigen Menschen verwahrt. Also eigentlich alle. Maschinen leiten die großen Konzerne und haben auch sonst alle Tätigkeiten übernommen. Für die Menschen haben sie eine Art Animationsprogramm ersonnen, einen absurden Wettbewerb, an dessen Schluss — natürlich! — eine Belohnung steht. Dass Menschen so funktionieren, haben die Maschinen durch die vielen Spiele und Apps gelernt, die immer mehr den Alltag bestimmen. 

 

Die »Wonderland Ave.« ist eine Mischung aus Pflegeheim, End-lager und Freizeitpark. Autorin Sibylle Berg spart in ihrem Stück nicht mit galligen, finsteren Pointen. Mondtags Inszenierung steht dem in nichts nach. Bruno Cathomas liegt zu Beginn schlafend auf dem Bauch einer überdimensionalen nackten Statue, die ihn selbst darstellt. Er ist das Zentrum des Abends, er hadert mit den Maschinen, unterwirft sich ihnen, ruft dann zur Revolte auf und bricht gleich wieder zusammen. Die Frau an seiner Seite ist die Performerin Kate Strong, die körperlich sehr präsent aber sprachlich ungenau agiert.

 

Die Maschinen sind humanoide Roboter, die alle eine Macke haben. Einem fehlt ein Arm, der andere hat ein steifes Bein, alle bewegen sich ungelenk. Sie sprechen im Chor und betonen manchmal eine falsche Silbe. Diese Roboter sind allmächtig, wirken aber nicht bedrohlich sondern putzig. Ersan Mondtags Bühnenbild passt großartig zum Stück. Es zeigt ein Menschenmuseum mit verfremdeten Bildern an den Wänden, die an reale Kunstwerke erinnern. An-scheinend wollen die künstlichen Intelligenzen den Menschen erforschen und heraus finden, ob es doch noch etwas von ihm zu lernen gibt. Die Uraufführung war etwas zu lang, hatte aber immer wieder schön boshafte Momente. Künstlerisch ist Ersan Mondtag auf jeden Fall eine Bereicherung für das hiesige Theater. Die Kölner dürfen auf seine Berner Inszenierung gespannt sein.