Die Ringe: Findet hier die Verkehrswende statt? Sie fällt jedenfalls nicht auf, Foto: Marcel Wurm

Wendeschluss

Die Stadt nimmt sich die Ringe vor. Doch statt die Raserei zu drosseln, streicht man Abfalleimer an

 

Der running gag der jüngsten kölschen Geschichte: die Verkehrswende. Eine Wende sei »Wandel in der Richtung eines Geschehens«, weiß der Duden. Nota bene: Über das Tempo des Wandels ist damit nichts ausgesagt. Ein Wandel kann so gemächlich von statten gehen, dass man ihn gar nicht bemerkt. Klimawandel, Wertewandel — oder halt die kölsche Verkehrswende, auch schwierig zu bemerken. 

 

Gottlob hilft uns die Stadt auf die Sprünge und verschickt fast täglich Jubelmeldungen, wenn ein paar Meter Fahrradschutzstreifen auf den Asphalt gepinselt wurden. Schade bloß, dass Autofahrer diese als unzulässige Graffiti auf ihrem angestammten Grund und Boden  empfinden. Radler, zumal auf den Kölner Ringen, bedeuten für sie Hausfriedensbruch. Hier wache ich. Statt Wachhund heult der Motor auf und hetzt den Eindringling. Außerdem will man ja noch die nächste Gelbphase erwischen. Und wer mit Vollgas vom Hansaring zum Rudolfplatz brettert, hat auch wenig Muße, sich die Tempo-30-Schilder am Wegesrand anzuschauen. Wäre auch riskant, denn dann hätten Raser womöglich den nächsten Radfahrer als armes Würstchen auf dem Kühlergrill.  

 

Was tun? Geschwindigkeitskontrollen? Nee, zu krass! OB Henriette Reker hat noch eine andere Idee. Seit der Silvesternacht ausgewiesene Expertin für die »Armlänge Abstand«, rät Reker nicht bloß Frauen in Männerhorden dazu, sondern auch Autofahrern, wenn sie sich von Radlern belästigt fühlen. Das Amt für Straßen und Verkehrsentwicklung baut daher bis Mitte Oktober vier »Info- und Beratungsstände« auf Wochenmärkten auf. Verkehrssicherheit beginnt direkt bei den Autofahrern: am Gemüsestand.

 

Auch ein Konzept: Wer durch Tempo-30-Zonen vor Schulen und Kindergärten brettert, dem passiert nichts, höchstens den Schulkindern. Die überreichen dem Raser dann im Rahmen einer städtischen Aktion einen »Denkzettel«. »Dieser wurde von den Kindern gestaltet«, meldet die Stadt. »Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten haben, erhalten jedoch kein Bußgeld«, so die Stadt weiter. Faire Geste, wo die Benzinpreise steigen. 

 

Tempokontrollen sind auch für die Kölner Ringe kein Mittel der Wahl. Dort stehen andere Aufgaben an: Es soll schöner werden. Dafür sind 157 Seiten »Gestaltungshandbuch« verfasst worden. Los geht‘s am Ring mit einer Formel-1-Pilotstrecke, äh, Pilotstrecke. Sie reicht vom Rudolfplatz bis zur Ehrenstraße. Genug Arbeit erst mal. »Dieser stark frequentierte Abschnitt«, so die Stadt, soll mehr »Aufenthaltsqualität« bekommen. Schon melden die Schöngeister der Stadtverwaltung Vollzug: Stromkästen gereinigt! Mülleimer dunkelgrau gestrichen! Und für »Zeitungsentnahmekästen wurde eine Befestigungslösung gefunden, die einen sicheren Stand gewährleistet«! Und man ruht sich noch nicht mal auf diesen Lorbeeren aus! Denn ein »hauptamtlicher Kümmerer« hat bis Dezember »die Strecke täglich im Blick«. Der arme Mensch! Vielleicht fällt sein Blick bald auf den Mittelstreifen hinter den Autokolonnen. Da steht seit bald dreißig Jahren Wolf Vostells Skulptur »Ruhender Verkehr«. Ein Wink mit dem Betonklotz.