Dogman

Matteo Garrone zeichnet eine Gesellschaft im Niedergang

Aber hier leben, nein danke. Auf den ersten Blick wirkt Magliana, Schauplatz von Matteo Garrones gleichnishafter Mordballade »Dogman«, wie die Kulisse eines Endzeit-Film. Betongraue Hoffnungslosigkeit und umfassender Verfall bestimmen nicht nur das Stadtbild, sondern prägen auch die Seelenlandschaften der hier vegetierenden Menschen. Ohne Hoffnung fristet man seine Tage so gut es eben geht. Man ist sogar zum Glück fähig, wenn man, wie der herzensgute Hundefriseur Marcello (Marcello Fonte), mit nicht allzuviel Hellsicht beladen ist. Hier eine Frisur für den Wauzi, da eine Portion Pasta mit den Kumpels, eine Nase Koks um gut drauf zu kommen, und am Wochenende ein Tauchausflug mit der Tochter: Das Leben kann so schön sein, wenn die Erwartungen bescheiden sind. 

 

 

Wie in seinem Durchbruch, der Saviano-Verfilmung »Gomorrah«, zeigt sich Garrone fasziniert von der betörenden Hässlichkeit misslungener Stadtplanung und morbidem Brutalismus als Sinnbild für eine Gesellschaft im Niedergang. Wie sich anhaltende Verwahrlosung auf Menschen auswirken kann, zeigt er am Beispiel des tumben Provinz-Psychopathen  Simoncino (naturgewaltig: Edoardo Pesce), dessen mangelnde Impulskontrolle und Unfähigkeit zur Empathie Katastrophen heraufbeschwört, wo immer er erscheint. Am wehrlosen Marcello hat der halbirre Berg von einem Mann einen Narren gefressen und macht ihn zum Komplizen seiner selbstzerstörerischen kriminellen Eskapaden. 

 

 

Je mehr sich die Geschichte ihrer drastischen Zuspitzung nähert, desto mehr gleicht sich der Erzählton  einem jener garstigen Märchen aus dem italienischen »Pentamerone«-Kanon an, denen Garrone zuletzt mit seinem Fantasy-Episodenfilm »Das Märchen der Märchen« Tribut zollte. Wie ein gefallenes Königreich ächzt das geschundene Magliana unter dem irrsinnigen Monster, das nur von einem Narren reinen Herzens erlöst werden kann. Warum es ausgerechnet der linkische Hundefriseur sein muss, der die Initiative ergreift und sich des Missstands widmet, ist die Frage, die Garrone an sein Publikum richtet. Schließlich ist Magliana überall und auch Simoncino nur ein Platzhalter für die Despoten, die nicht von selbst von ihrem Treiben ablassen werden. Ganz in der Rolle des Märchenerzählers gönnt Matteo Garonne seinem Helden von der traurigen Gestalt ein bitteres, doch tonal versöhnliches »Happy« End. Ein bitterer letzter Blick auf das zur Geisterstadt verkommene Magliana jedoch deutet an, dass es für die großen Befreiungsschläge vielleicht zu spät ist.

 

 

 

Dogman I 2018 R: Matteo Garrone, D: Marcello Fonte, Edoardo Pesce, 102 Min. Start: 18.10.