Symbol und Dekadenz

Das Museum Morsbroich überrascht mit einem zeitgenössischen Rokoko-Remix

Rokoko von Künstler*innen hier und heute — geht das? Es geht, und zwar sehr gut im prächtigen Barock--Bau, in dem das Museum Mors-broich untergebracht ist. In dem ehemaligen Lustschloss in Leverkusen zeigen 17 Künstler*innen, wie trefflich die von Prunk und Dekadenz bestimmte Endphase des Barocks in der jungen Kunst ausgelegt werden kann. Rokoko widmete sich dem ausufernden Dekor vorrangig im Kunstgewerbe, in der Malerei meist mit Darstellungen der höfischen Gesellschaft.

 

So war etwa die Porzellanmanu-faktur in der kapriziösen Epoche des ausgehenden 18. Jahrhunderts höchst beliebt. Dies greift die Wuppertalerin Anke Eilergerhard (*1963) mit ihren Skulpturen aus Silikon und Porzellangeschirr auf, deren bauchige Form eine verschnörkelte Gießkanne aus Weimarer Porzellan krönt, was dieser an sich abstrakten Formation menschliche Züge verleiht. Mit Plastiken aus weißem Biskuitporzellan reaktiviert die Britin Rachel Kneebone (*1973) die rauschhafte Dekadenz jener Epoche: Sie akkumuliert menschliche Körper auf einer globusähnlichen Form, als würden sie alle durch einen Sog in deren Inneres gezogen. Eine un-heimliche wie beeindruckende Symbolik für das Moribunde in der Rokoko-Welt.

 

Den Pomp jener Zeit bringt Karla Black (*1972) mit pastellfarbenem Gewölk aus Polyäthylenfolie auf den Punkt und hat ihre Installation zudem mit Gipspuder sowie anderen Pigmenten beschichtet. Pudrig, ganz im Rokoko-Ornat durchschreitet sodann eine der kleinen Figuren von Pia Stadtbäumer (*1952 in Müns-ter) den Raum. Eine damit einhergehende und für die Rokokozeit geradezu symptomatische Fassadenhaftigkeit veranschaulicht die Belgierin Edith Dekyndt (*1960) mit einem diagonal durch den Raum gespannten Vorhang.

 

»Der flexible Plan« ist der für ein Rokoko-Remix eher sachliche Ausstellungstitel; er geht zurück auf die Bauhauskünstlerin Anni Albers. Auf diese bezieht sich die Portugiesin Leonor Antunes (*1972) mit einer feinen Textilarbeit, die Bezüge zu lateinamerikanischer Webkunst, zugleich zur Kolonialzeit, aber auch zur großen Bedeutung von Stoffen für Innenraumgestaltungen im Rokoko herstellt. So sorgt schließlich der Brüsseler Florist Thierry Boutemy (*1969), der sich in der Film-und Modewelt einen Namen gemacht hat und inzwischen immer häufiger mit Künstler*innen kooperiert, für ein extravagantes und zugleich melancholisches Arrangement in zwei Kabinetträumen des Schlosses.