Vorsicht Fahrrad! Venloer Straße/Ecke Gürtel, Foto: Marcel Wurm

Die Gürtelneurose

Der Gürtel soll zu einem Fahrradschnellweg werden. Aber so schnell geht‘s dann doch nicht

 

 »Das ist der erste Schritt zu einem Radschnellweg«, sagt Harald Schuster von Deine Freunde. Wovon viele Radfahrer träumen, hat er jetzt in der Bezirksvertretung Ehrenfeld durchgesetzt. Auf dem Gürtel soll zwischen Aachener Straße und S-Bahn-Haltestelle Geldernstraße eine Fahrspur auf jeder Seite für den Radverkehr umgewidmet werden. Die Höchstgeschwindigkeit soll auf 30 Stundenkilometer begrenzt werden, außerdem sollen die für Radfahrer oft gefährlichen »freilaufenden« Rechtsabbiegespuren zurückgebaut werden, bei denen Autos den Radweg der geradeaus fahrenden Radler kreuzen. Ein entsprechender Antrag wurde mit den Stimmen von Deine Freunde, Linke, Grünen und CDU angenommen. »Die Ehrenfelder CDU ist in solchen Fragen sehr progressiv«, sagt Schuster. 

 

Für den Bezirksvertreter ist der Fahrradgürtel ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende — und realistisch. »Am Gürtel fahren nur im Berufsverkehr viele Autos«, erklärt er. Für den Rest des Tages sei die Strecke für den Autoverkehr überdimensioniert. Die Nachfrage nach mehr Radwegen ist auf jeden Fall vorhanden. Schon jetzt hat Ehrenfeld den höchsten Anteil an Radfahrern in ganz Köln.

 

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) unterstützt das Projekt und hatte es bereits in den letzten Bürgerhaushalt eingebracht. Sprecher Christoph Schmidt wünscht sich »eine gute Lösung am Gürtel statt zwei halbe wie an den Ringen«. Dort müssen Radfahrer im Moment alle paar hundert Meter von der Fahrbahn auf die Radspur wechseln. Der Fahrradgürtel soll der große Wurf werden, von dem viele Radfahrer angesichts der kleinteiligen Arbeit der Stadtverwaltung an der Kölner Radinfrastruktur träumen. »Der Fahrradgürtel ist ein stadtweites Projekt«, sagt Harald Schuster, der sich eine Fortführung über Lindenthal hinaus vorstellen kann. Ein Anfang sei bereits gemacht. Der Niehler Gürtel wird demnächst als Fahrradweg bis zum Rhein ausgebaut — das schwarz-grüne Ratsbündnis hatte sich gegen die SPD-geführte Bezirksvertretung Nippes durchgesetzt, die den Gürtel lieber als Autostraße ausgebaut hätte, um Verkehr aus den Nebenstraßen zu verlagern. 

 

Auch in Ehrenfeld hat die SPD gegen den Fahrradgürtel gestimmt. »Es ist eine Frechheit, das über die Bezirksvertretung einzubringen«, sagt Verkehrspolitiker Andreas Pöttgen (SPD), der in Ehrenfeld wohnt. Er findet, dass diese Ideen besser ins Ehrenfelder Radverkehrskonzept einfließen sollten, das gerade eine Agentur in Zusammenarbeit mit Verwaltung, Parteien und Ehrenfelder Radfahrern erarbeitet. Die Ehrenfelder SPD schlägt kleinteilige Verbesserungen vor. Die Pläne für den Fahrradgürtel seien zu pauschal, die Strecke bedürfe »einer genaueren Betrachtung«. »Wir haben keine zehn Jahre für die Verkehrswende mehr«, sagt dagegen Harald Schuster. »Das muss alles schneller gehen.«

 

Aber kann es das? Der Gürtel gilt als Straße von »gesamtstädtischer Bedeutung«. Das bedeutet, dass auf jeden Fall der Verkehrsausschuss und vielleicht sogar der Rat schlussendlich über die Realisierung des Fahrradgürtels abstimmen müssten. In diesen Gremien allerdings kommt es gerade in der Verkehrspolitik immer wieder vor, dass Politiker ihre Parteifreunde aus den Bezirken überstimmen. Gerade in den vorstädtischen Veedeln gilt die CDU als autofreundlich. Außerdem ringt sie mit ihrem grünen Kooperationspartner um eine gemeinsame Position zum U-Bahn-Bau auf der Ost-West-Achse (siehe Seite 10). »Was sagt denn die CDU zum Beschluss ihrer Parteikollegen in Ehrenfeld?«, fragt Andreas Pöttgen spöttisch.

 

Anruf bei Dirk Michel, der für die CDU im Verkehrsausschuss sitzt. »Ich habe mich sehr gefreut, dass die Kollegen den Mut hatten, das zu beschließen«, sagt er. »Ich stehe dem erstmal positiv gegenüber.« Er habe allerdings noch keine Zeit gehabt, sich ausführlich mit dem Antrag zu beschäftigen, dem seine Ehrenfelder Parteifreunde zugestimmt haben. Die Planungen für den Mülheimer Süden und zur Ost-West-Achse gingen im Moment vor. Viele gute Pläne also, nur ihre Umsetzung muss noch warten. Das kennen die Kölner Radfahrer ja schon.