Smart: Speeddating mit Volt im Mediapark, Foto: Christian Werthschulte

Was ihr volt

Die neue Partei Volt tritt für eine Reform der EU an. Wir haben sie im Wahlkampf besucht

Groß ist der Andrang nicht beim »politischen Speeddating« von Volt, der neuen Europapartei. Im Startplatz, einem Coworking-Space im Mediapark, sitzen einen Tag nach Aschermittwoch bloß vier Interessierte den fünf »Voltern« gegenüber. Andererseits würde jeder SPD-Ortsverein bei vier neuen Interessierten Sekt aufmachen. Bei Volt gibt es stattdessen Bier aus der Flasche. »Wir sind eine Start-up-Partei«, sagt Christopher Gudacker, 30 Jahre alt und ehemaliger Sportstudent. Er ist der gewählte »City Lead« für Köln und kümmert sich um die Anmeldung von Wahlkampfständen, organisiert Räume für Veranstaltungen und koordiniert die Zusammenarbeit der Kölner Volt-Gruppe mit anderen Städten.

 

Vor zwei Jahren wurde Volt von drei jungen Menschen aus Deutschland, Frankreich und Italien gegründet, heute hat die Partei nach eigenen Angaben 10.000 Unterstützer in 31 Ländern. Von Beginn an sollte Volt eine gesamteuropäische Partei sein, die sich länderübergreifend organisiert. Ihr Ziel ist eine Reform der EU: Sie soll demokratischer und bürgernäher werden, »smarter« nennt man das bei Volt. Im Mai tritt die Partei bei den Europawahlen an. 5573 Unterschriften haben sie dafür gesammelt, gereicht hätten schon 4000.

 

In Köln gibt es etwa sechzig Volt-Mitglieder, acht bis zehn von ihnen seien »sehr aktiv«, sagt Christopher Gudacker. Er ist über einen Freund zu Volt gekommen. Dieser hatte etwas auf Facebook über die neue Partei gepostet, bei einem Berlin-Trip ist Gudacker dann zu einem Treffen gegangen: »Ich mochte die Idee dahinter und die Diskussionskultur — alles fand auf Augenhöhe statt, und wir haben lösungsorientiert diskutiert.« Die einzelnen Volt-Gruppen kommunizieren über Chat-Plattformen und in Telefonkonferenzen, das Europa-wahlprogramm ist auf Google Docs entstanden. Es gebe kein Mobbing, sondern faktenbasierten Austausch, sagt Christopher Gudacker. »Und bei Konflikten wird halt abgestimmt.«

 

Auch im Mediapark soll auf Augenhöhe diskutiert werden. Man duzt sich, Volter und Interessierte sitzen sich auf Bürostühlen gegenüber, im Raum sind Schilder aufgestellt, die Volter auf dem Rosenmontagszug getragen haben. »All EU Need is Love« steht auf einem. 

 

Die Veranstaltung beginnt mit einem »Pitch«. Liz, einzige Frau im Raum, stellt das »5+1-Programm« für die Europawahl vor. Ein transparenter »Smart State« soll digitale Wahlen und Behördengänge sowie mehr Teilhabe ermöglichen. Das EU-Parlament soll direkt gewählt werden und selbst Gesetze einbringen können. Volt möchte eine gesamteuropäische Migrations- und Integrationspolitik und europäische Lösungen beim Klimaschutz. Ökonomisch will die Partei die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern bis 2025 schließen und einen Wirtschaftsfonds für benachteiligte Regionen einführen. Außerdem soll die Firmengründung für Start-ups erleichtert werden. Es ist ein zentristisches Programm, das einen Sozialstaat vorsieht, der durch eine vereinheitlichte Steuerpolitik finanziert wird, um Steuerschlupflöcher zu schließen und auch eine starke Rolle der Zentralbank und einen gemeinsamen Haushalt vorsieht. Emmanuel Macron würde es vermutlich unterschreiben können.

 

Auf den Pitch folgt das »Speeddating«. Die vier Besucher können jeweils einen Volter befragen. Auch Christopher Gudacker diskutiert mit und wiederholt immer wieder einen Satz : »Wir sind nicht links oder rechts, sondern lösungsorientiert.« Was meint er damit? »Die anderen Parteien stecken in Links-Rechts-Schemata fest«, sagt er. Anstatt Vorschlägen zuzuhören, würden diese abgelehnt, wenn sie aus einem anderen politischen Lager kämen. So habe er dies in Talkshows und in Bundestagsdebatten erlebt, sagt Gudacker. Glaubt er, dass dies repräsentativ für das politische System sei? »Ja«, sagt er. »Man hört einander aus Prinzip wenig zu.« 

 

Ganz alleine ist er damit nicht. »Die klassischen Parteien sind ja doch eine Art Standardbrei«, meint Johannes, der mit seinem Schulfreund Christoph gekommen ist. »Ich könnte mir schon vorstellen, die zu wählen.« Christoph ist ein 33-jähriger Sozialwissenschaftler. Er sagt: »Die Strukturreformen von Volt finde ich gut, aber um mich hundertprozentig zu überzeugen, müsste die Partei sehr schnell sehr viel größer und schlagkräftiger werden.« Für den Volter Christopher Gudacker ist das schon fast ausgemacht: Er rechnet mit zwei Sitzen für die deutsche Volt-Sektion im Europaparlament. Und wenn das nicht passiert? »Dann muss man sich hinterfragen.«