»Wiesenbärenklau schmeckt nach Sellerie, Giersch wie Petersilie — nur würziger«

»Spitzwegerich kann mehr als Salat aus dem Supermarkt«

Die Kräuterpädagogin Mica Frangenberg über den exotischen Geschmack der Stadtnatur

 

Köln ist eine dreckige Großstadt. Ist das nicht der falsche Ort, um Kräuter zu sammeln?

 

Ach, diese Hygiene­be­denken gibt es immer. Ich behaupte ja gar nicht, dass Wildkräuter alle sauber sind. Aber wenn man nicht an der Autobahn, der Inneren Kanalstraße oder Hundewegen sammelt, finde ich das unbedenklich. Ich stelle gerne die Gegenfrage, ob man einen Salat aus dem Supermarkt als sauber bezeichnen würde. Da antwortet auch keiner mit Ja. Aber der Spitzwegerich kann mehr als der Salat aus dem Regal.

 

 



Was denn?

 

Wildkräuter sind voll von Nährstoffen und Inhaltsstoffen, die Lebensmittel im Supermarkt nicht mehr haben. In den Lebensmitteln aus dem Supermarkt gibt es zum Beispiel kaum noch Bitterstoffe. Aber Bitterstoffe sind elementar für unsere regelmäßige Entgiftung. In der Natur ist das ein wichtiger Fraßschutz. Aber der Salat aus dem Supermarkt läuft ja keine Gefahr, von wilden Tieren gefressen zu werden (lacht).Welche Kräuter kann man in Köln fin­den? Gänseblümchen, Schafgarbe und Gundermann. Außerdem Spitz­wegerich, und natürlich Löwenzahn. Die sind leicht zu erkennen, die Ein­steigerpflanzen. Man muss nicht hundert abgefahrene Kräuter kennen, um Wildkräuter sammeln zu gehen.

 

 


Und was kann man mit denen machen?

 

Die Leute fangen meist an, an einem Blatt zu knabbern. Ich sage dann: nicht nagen, alles essen! Sich ein ganzes Löwenzahl-Blatt oder eine Knospe vom Spitzwegerich in den Mund zu schieben, finden viele Menschen sehr exotisch.

 

 


Wildkräutersalat wird doch in vielen Restaurants serviert.

 

Was Gastronomen da im Großhandel in Tüten kau­fen können, ist Etikettenschwindel. Da ist einziges Blatt Wildkraut drin. Dabei sind Wildkräuter kulinarisch bereichernd. Die Knospe vom Spitz­wegerich schmeckt zum Beispiel nach Champignon, Wiesen­bären­klau nach Sellerie, Giersch wie Petersilie — nur würziger. Aber der Ge­schmack vieler Wildkräuter ist fremdartig.

 

 


Wo kann man in Köln sammeln?

 

Fast überall. In Stadtparks, an den Rändern von Kleingartenanlagen, auf Friedhöfen. Aber viele Grünflächen werden so kurz gehalten, dass sich die Artenvielfalt nicht entwickeln kann. In Nutzparks sollen sich die Leute natürlich auf die Wiesen setzen können. Aber es gibt Areale, da sitzt niemand. Warum muss da ein Rasenmäher drüberfahren? Wenn die Stadt solche Bereiche in Ruhe lassen würde, würde sich der Bewuchs ändern. Ich habe in der Wildkräuterei 4000 Quadratmeter, auf denen seit den 70er Jahren nichts gemacht wurde. Ich weiß, wie Natur aussehen kann, wenn man die Hände davon lässt.

 

 


Wer kommt in die Wildkräuterei?

 


Auf der einen Seite immer mehr junge Menschen. Bei denen ist das Thema fast politisch. Wenn ich mit denen eine Wildkräutertour mache, kreisen wir um die großen Fragen. Wie will ich leben? Welche Rolle spielt Natur dabei? Auf der anderen Seite kommen ältere Menschen. Die haben einen Garten und kennen auch einige Pflanzen. Aber die denken, dass es viele vermeintlich schlechte Pflanzen gibt und sind erschrocken, wie lecker das ist, was sie seit Jahren auf den Kompost schmeißen. Insgesamt ist das Wissen über Pflanzen aber unfassbar gering. Oder haben Sie schon mal von Gundermann gehört?

 



Nein.

 

 

Für unsere Ahnen war Gunder­mann so wichtig wie Brennessel und Holunder. Eine mystische Pflanze. Das weiß heute keiner mehr. Aber ich bin guter Dinge, dass sich das wieder ändert.

 

 


Mica Frangenberg betreibt in einer alten Gärtnerei in Junkersdorf die »Wild­kräu­terei«. Sie veranstaltet Spaziergänge, Kochkurse oder Kosmetik-Workshops und und bildet Kräuterpädagogen aus: wildkraeuterei-koeln.de

 

Weitere Angebote in Köln:


Kräuterkauz: kraeuterkauz.de


Wildes Grün: wildesgruen.de


Nina Weber Natur-Köln: natur-köln.de