Maria hilf: Katholikinnen vor St. Agnes, Foto: Dörthe Boxberg

Klerus kriegt Kontra

 

Kölner Katholikinnen fordern mit der Kampagne »Maria 2.0« mehr Mitsprache. Ihre Kirche geht auf Distanz

Es reicht: Eine Woche lang, vom 11. bis 18. Mai, ließen die Frauen von St. Agnes ihre Ehrenämter in der Gemeinde ruhen. Sie luden abends zum Gespräch vor der Kirche ein, redeten sich den Frust von der Seele und feierten ihren eigenen Gottesdienst. Weiße Laken über den Bänken zeigten derweil im Inneren der Kirche die Leerstelle, mit der sie auf das Missverhältnis zwischen Leistung und Anerkennung aufmerksam machen wollen. »Wir wollen dauerhaft Männer und Frauen am Altar sehen«, sagt Annabel Ruth. Sie hat den Streik mit anderen organisiert, als Teil der bundesweiten Protestaktion »Maria 2.0«, die in einer Münsteraner Gemeinde begann und weltweit Aufmerksamkeit erregte. »Es brodelt schon länger«, sagt Ruth.

 


Ruth und ihre Mitstreiterinnen fordern Gleichberechtigung: Weihe­ämter endlich auch für Frauen, zu­mal sie in vielen Gemeinden den größten Teil der ehrenamtlichen Arbeit leisten. Viele seien »traurig, dass für sie und ihre vielfältigen Talente« in den Strukturen der katholischen Kirche kein Platz sei, sagt Ruth. Darunter leide angesichts des akuten Priestermangels letztlich die gesamte Kirche. Ein konsequenter Umgang mit Fällen sexueller Gewalt in der Kirche ist eine weitere Forderung, die katholische Frauen auf die Straße getrieben hat. Papst Franziskus hatte zuletzt entschieden, Erkenntnisse über Missbrauch in der Kirche seien nicht zwangsläufig an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten. Aber Kleriker sind immerhin ab sofort verpflichtet, innerhalb der Kirchenstrukturen Meldung zu machen, sollten sie Hin­weise auf Taten oder auf ihre Vertuschung haben. Die Aufhebung des Zölibats und eine zeitgemäße Sexualmoral sind weitere Forderungen.
Der für St. Agnes zuständige leitende Pfarrer Dominik Meiering kritisierte denn auch, dass »zu viele Themen in einen Topf geworfen würden«. Dennoch werden sie alle nach dem Kirchenstreik der Frauen in den Gemeinden verstärkt diskutiert. Meiering äußerte im Domradio Verständnis für die Forderung nach mehr Mitsprache. Er unterstützte den Vorschlag der Bischofskonferenz, eine Synode einzuberufen, also eine Zusammenkunft von Bischöfen und Laien, um über eine Lösung zu sprechen.

 


Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki missbilligte den Namen der Protestaktion. Bei »Maria 2.0« werde der Name der Gottesmutter für Politik missbraucht. Ansonsten äußerte er sich nicht. Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine dagegen lud die Frauen zum gemeinsamen monatlichen Gebet vor St. Martin ein. »Wir wollen Gott und unseren Bruder Jesus Christus bitten, uns auf dem steinigen Weg zu einer gendergerechten Kirche zu begleiten und den Heiligen Geist um die rechte Einsicht bitten, wie unsere weiteren Schritte dahin aussehen können«, schreibt Stadtdechant Kleine in der Einladung. Er versandte sie im Namen des Kölner Verbands der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd), dem er vorsteht. Der Verband werde »über eine klare Position« in diesen Fragen beraten, so Kleine. Einzelne deutsche Bischöfe stellten sich deutlicher hinter die Forderungen der Frauen. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige etwa sagt,
er könne sich inzwischen gar die Priesterweihe für Frauen vorstellen. Um den Klerus für Frauen zu öffnen, seien Diakoninnen ein mög­licher erster Schritt.

 


Gleichwohl werden diese Fragen im Vatikan entschieden. Dort hatte die Glaubenskongregation erst im Mai 2018 die Position des ehemaligen Papstes Johannes Paul II. bekräftigt: keine Priesterweihe für Frauen. An diese Entscheidung hätten sich »alle Gläubigen der ­Kirche endgültig zu halten«. Die Frauen von St. Agnes üben sich in Geduld. »Die evangelischen Frauen haben sich auch erst vor gut fünfzig Jahren das Recht erkämpft, zu predigen«, sagt Annabel Ruth. Sie glaubt fest daran, dass ihre Kirche nun endlich folgen könnte — vielleicht auch mangels Alternative. Konservative Kreise in der katho­lischen Kirche warnen vor einer Spaltung, sollte sich ihre Kirche zu schnell wandeln. »Wir wollen nicht austreten, wir wollen etwas verändern«, sagt Franka Knauf, ebenfalls streikendes Mitglied der Agnes­kirchengemeinde.

 


»Ich habe darüber nachgedacht auszutreten«, sagt dagegen Doris Bauer. Die 50-Jährige hilft beim Kommunionsunterricht, liest im Gottesdienst und wirkt als Kantorin an der musikalischen Begleitung mit. Bereits seit Anfang des Jahres lässt sie ihre Ehrenämter ruhen. Über das »Frauenthema« habe sie sich immer schon geärgert, sich damit aber »irgendwie arrangiert«. Der Umgang mit den Opfern sexueller Gewalt in der Kirche, die inkonsequente Aufarbeitung der Fälle hingegen habe sie erschüttert. Der Streik, besonders der Zuspruch von vielen Passanten im Agnes­viertel, habe ihr gutgetan. Annabel Ruth ist stolz, dass die Frauen »aufgehört haben, leise zu sein«. Für sie ist die Forderung nach Gleichberech­tigung eine Machtfrage. Es gehe um Gewaltenteilung, um eine demokratische Kontrolle und damit um eine Öffnung der Strukturen. »Der Klerikalismus«, sagt Annabel Ruth, »muss aufgebrochen werden.«