Gunther Geltinger

Eigentlich ein Unding: Da hatte die Stadt Köln mit ihrem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium 10.000 Euro an einen Nachwuchsautor zu verschenken, und gerade einmal acht Bewerbungen trudelten 2006 ein. Angesichts dieser Lage waren die Befürchtungen berechtigt, 2007 könnte es zu einer ähnlichen Misere kommen. Oder, schlimmer, das Stipendium würde gar ganz gestrichen. Als aber am 31. Oktober die Förderpreise im Historischen Rathaus verliehen wurden, gab es doch eine gute Nachricht: Preisträger für Literatur ist der 1974 geborene Gunther Geltinger.

Der Postgraduate-Student an der Kunsthochschule für Medien ist bereits mit dem Text-Musik-Hörstück »RISS« (Musik: Gerriet K. Sharma) hervorgetreten, an seinem Roman-Manu­skript »Mensch Engel« zeigen bereits mehrere Verlage Interesse. Erstaunlich ist Geltingers Werdegang: Während sich die meisten KHM-Studenten vor allem den audio-visuellen Medien widmen, ging er das Studium dort ganz bewusst als Autor an. Sein Re-Entry in den Literaturbetrieb erfolgte 2006 beim Literarischen Colloqium Berlin, wo er als Stipendiat an der Autorenwerkstatt Prosa teilnahm. Damit steht die Wahl Geltingers zum Brinkmann-Stipendiaten in einer Linie etwa mit den Entscheidungen der Jury des
Ingeborg-Bachmann-Preises, wo mit Kathrin Passig (2006) und PeterLicht (3Sat-Preis 2007) zuletzt Grenzgänger der Literatur ausgezeichnet wurden.

Offenbar ist man an den zuständigen Stellen die geschliffene Einheitsprosa langsam satt, die seit Judith Hermann viele hiesige Neuveröffentlichungen bestimmt. Tatsächlich sind Geltingers Texte alles andere als gefällig: Der Roman »Mensch Engel« widmet sich den großen Themen Identität, Eros und Tod und steht in der Tradition von Autoren wie George Bataille oder Hans Henny Jahn. Er dockt den zum Teil hohen Ton aber durch eine verschachtelte Erzählkonstruktion und explizite Realien an die Gegenwart an.

Bis das Manuskript als gedrucktes Buch vorliegt, mag noch ein Jahr vergehen, aber man kann festhalten, dass es mit dem Brinkmann-Stipendium wieder auf­wärts geht. Zwölf BewerberInnen waren es dieses Jahr. 2008 können es ruhig noch mehr sein.