Medea im Linienbus

Schon zu Beginn des neuen Films von Nicolette Krebitz erlebt man ein Déjà-vu: Ist man in eine Fortsetzung von Christian Petzolds »Yella« geraten? Oder sollten Devid Striesow und Nina Hoss das neue Traumpaar des jungen deutschen Kinos sein? Kaum ein Film, in dem sie nicht ihr Talent unter Beweis stellen dürfen. Inzwischen im Doppelpack, damit jeder merkt, dass sie die Besten ihrer Generation sind. Das könnte auch hinten losgehen: Denn so wie sich Katja Riemann mit ihrem Beziehungskomödiengesicht irgendwann als Persona non grata wieder fand, könnte es auch dem unterkühlt traurigen Traumpaar ergehen.

Traumhaft versponnen ist auch hier das Geschehen – nur dass die Selbstfindung der Frau konventioneller ihren Lauf nimmt als in Petzolds subtilen Gesellschaftshinrichtungen. Marie bekommt große Augen, als sie entdeckt, dass ihr Mann unweit ihres Hauses noch eine weitere Kleinfamilie hat. Schließlich hat sie für das häusliche Glück ihren Beruf aufgegeben, und als Zweitfrau möchte sie nicht ihr Provinzdasein fristen.

Als hasserfüllte Medea gibt sie sich nun in Linienbussen bösen Tagräumen hin, irrt mit­unter nackt und betrunken durch Parks, Wälder und Felder, während ihre zwei kleinen Kinder allein zu Hause sind. Das kann natürlich nicht gut gehen.

Bevor sich die Betrogene rächen kann, schleicht sie sich auf einem Schloss ein, wo ihr Mann mit seiner Band auftreten soll. Und dort im dunklen Wald lauert das nächste Déjà-vu: Der Maskenball ähnelt irritierend dem von Kubrick in »Eyes Wide Shut«. In dieser kathartischen Nacht darf Marie endlich ihrer Wut freien Lauf lassen, auf Tischen kriechen, in Rückblenden schwelgen und einem Gastauftritt des Künstlers Jonathan Meese beiwohnen, der als Heiland vom Kreuz steigt.

Spätestens jetzt erfreut man sich an der Vorliebe der Regisseurin fürs Surreale und nimmt es mit den Zitaten nicht mehr so wichtig. Selbst Tom Cruise, verkleidet als Stauffenberg, würde man im Partygetummel hinnehmen. Bei allen grotesken Wendun­gen meint es der Film aber bitter-ernst. Das ist rührend und deshalb lässt man sich von den Stimmungen umgarnen, in die Krebitz ihr leise klagendes Lehrstück über den Kampf der Geschlechter taucht. Von ihrem manierierten Debüt »Jeans« ist der neue Film ein großer Sprung nach vorn. Ein bitter-süßer Aufbruch, wohin auch immer.

Das Herz ist ein dunkler Wald. D 07,
R: Nicolette Krebitz, D: Nina Hoss,
Devid Striesow, Monica Bleibtreu,
86 Min. Start: 27.12.