Das gibt man sich

Karin Beier inszeniert Yasmina Rezas Erfolgskomödie »Der Gott des Gemetzels«

 

»Der Gott des Gemetzels«, das bislang letzte Stück der französi­schen Star-Dramatikerin und Sarkozy-Porträtistin Yasmina Re­za, wurde in der maßgeblichen deutschen Kritikerumfrage zum besten ausländischen Stück der Saison gekürt.

Man darf sich die Frage stellen, weshalb. Herrscht in Resteuropa zur Zeit eine Flaute an guten Stücken oder schwören die Kritiker auf Könnerschaft und Konvention? Ein WDR-Radiomoderator zeigte seine Skepsis gegenüber dem Stück in einem Kritikergespräch über die aktuelle Kölner Inszenierung mit der Frage: »Reza nimmt also das Dramatische am Drama ernst?«. Zweifel sind jedenfalls legitim in einer Zeit, in der das Dokumentarische in unterschiedlichs­ten Spielfor­men auch an den Stadt­theatern erfolgreich die Infragestellung des Literaturtheaters betreibt.

Wenn ein Theater Yazmina Reza auf den Spielplan setzt, ist das ­Dokumentarische plötzlich nicht mehr von Interesse, und man selbst tut gut daran, es ebenfalls zu vergessen. Sonst hat man an einem Abend wie diesem kein Vergnügen. Das aber bietet Karin Beiers Inszenierung in Hülle und Fülle. Man gibt sich das also.

Zwei französische Ehepaare – Veronique (Maria Schrader) und Michel (Michael Witten­born), Annette (Anja Lais) und Alain (Markus John) – treffen sich bei Clafoutis und Espresso, um zu besprechen, wie man damit umgehen könne, dass der eine Sohn dem anderen mit einer Stange zwei Zähne ausgeschlagen hat. Das Krisengespräch läuft bald aus dem Ruder und mündet, bei fortgesetztem Genuss von Michels Vintage-Rum, in eine Schlacht, in der sich die Anwesenden gegenseitig aufs Übelste niedermachen. Offenbar werden die Abgründe der bürgerlichen Existenz, wie sie in Ehe, Beruf und Familie lauern.

Reza liefert den Plot als bitter­böse, schlau geschriebene Ko­mödie dieser Scheinwelt. Dass der Stoff seit Strindberg, Albee, Bernhard et al. etabliert ist – geschenkt. Karin Beiers Regie setzt die Vorlage mindestens kongenial um, ihre Spieler verstehen es blen­dend, die richtigen Akzente zu set­zen, um die moralische Niedertracht der Beteiligten erst rich­tig zur Geltung zu bringen. Es ist ein Schlagabtausch der Perfidien, der schließlich in ein großes Schwei­gen mündet, als am Ende die Toch­ter eines Paares anruft und die Anwesenden von fern daran erinnert, was Familie sein könnte.

Aus der Innenschau betrachtet krankt der Abend daran, dass es schon früh keine Fallhöhe mehr gibt. Der Zuschauer weiß schnell, dass hier nichts mehr zu retten ist. Das trübt den Spaß ein wenig. Alle anderen Bedenken lässt man, wie gesagt, besser Zuhause.

Info
»Der Gott des Gemetzels« von Yasmina Reza, R: Karin Beier, Schauspielhaus, 16., 17., 22.1., 20 Uhr; 9., 26.1., 19.30 Uhr