Das Luxus-Problem

Seit einem Jahr zahlen die Studenten der Kölner Uni 500 Euro Gebühren pro Semester. Bisher sehen sie kaum Verbesserungen

 

Der Hörsaal A1 an der Kölner Uni ist rappelvoll, immer mehr Studenten strömen in den Raum, der rund 600 Sitzplätze hat. Bereits vor dem offiziellen Beginn der Vorlesung »Politische Theorie« sind nahezu alle Stühle belegt, auch die Treppe ist bevölkert. Die Studierenden stehen dicht ge­drängt im Türrahmen oder sogar auf dem Flur – Mitschreiben ist unter diesen Bedingungen ausge­schlossen. Das Problem der überfüllten Hörsäle ist nicht neu, sollte aber eigentlich behoben sein, denn seit einem Jahr müssen die Studenten auch für Stehplätze 500 Euro pro Semester zahlen. »Das ist eine Unverschämtheit. Ich frage mich schon, wo unser Geld eigentlich abbleibt«, macht Tobias Hofmann seinem Ärger Luft. Seine Kommilitonen nicken zustimmend.

Ein Verwendungsnachweis, den die Universität jetzt vorgelegt hat, gibt darauf Antworten – zumindest teilweise. Bislang haben die Studiengebühren zwar rund 17 Millionen Euro in die Hochschulkasse gespült, allerdings hat die Universitätsver­waltung nur ein Viertel davon in die Verbesserung der Lehre investiert.

Eine Million Euro schluckt allein der Verwaltungsapparat, mit 2,8 Millionen bildet die Uni Rück­lagen. Weitere 6,1 Millionen Euro hat die Verwaltung aktuell noch nicht ausgegeben – sie werden ins kommende Jahr mitgenommen. »Nur jeder vierte Euro kommt aktuell bei den Studenten an. Der Rest wird angespart. Offensichtlich hat die Uni Luxus-Probleme und weiß nicht, wohin mit dem ganzen Geld«, sagt Asta-Bildungspolitikreferent Patrick Schnepper. Laut Gesetz müssen die Gebühren zur Verbesserung der Lehre genutzt werden, die Mittel dürfen weder zur Grundausstattung, zum Schuldenabbau noch für Forschungszwecke verwendet werden.

Uni-Pressesprecher Patrick Honecker weist die Vorwürfe zurück: »Wir wollen im neuen Jahr bis zu dreißig neue Professoren einstellen.« Zudem sei der Bau eines neuen Hörsaalgebäudes geplant, bis zur Umsetzung werde es allerdings noch einige Jahre dauern. Die ganze Aufregung könne er sowieso nicht verstehen, es sei doch schon viel erreicht worden, so Honecker: längere Öffnungszeiten der Bibliotheken, Aufstockung der Bücherbestände, verbesserte EDV-Ausstattung, mehr Tutorien.

»Die ­rühmen sich mit dem Erhalt des Status quo«

Darüber kann Patrick Schnep­per nur müde lächeln. Den verheißenen »Qualitätssprung in ­der Lehre« erkennt er bislang nicht, eher »eine Zweckentfremdung der Mittel«: »Tutorien gab´s schon immer, nur hat die früher das Land bezahlt. Die ­rühmen sich mit dem Erhalt des Status quo.« Auch würden Gelder an den fal­schen Stellen ausgegeben. So sei­en zum Beispiel die Mikroskope im Fachbereich Bio­logie seit Jahren nicht mehr gewartet worden. Nun wurde dies umgehend gemacht. Schnepper: »Eine totale Unsinnsaktion. ­Denn nächstes Jahr zieht der Fachbereich um und bekommt sowieso neue Geräte.«

Ebenfalls umstritten ist der sogenannte Ausfallfonds des Lan­des: Er soll dazu dienen, mögliche Verluste der NRW-Bank abzudecken, falls Studierende ihre Studienkredite nicht zurückzahlen, die viele von ihnen seit Einführung der Campus-Maut aufnehmen müssen. 18 Prozent der Gebühren fließen in diesen Topf, an der Kölner Uni sind das drei Millionen Euro. Der Dortmunder Ökonom Andreas Hoffjan, der Einnahmen und hypothetische Verluste des Sommersemesters exemplarisch gegen­übergestellt hat, hält die Marge für »absurd hoch«. Selbst wenn landesweit alle 34.000 Studenten, die im vergangenen Semester ­einen Studienkredit beantragt ha­ben, ihr Darlehen platzen ­ließen, käme ein Maximalbetrag von 17 Millionen Euro zusammen – der Fonds enthält pro Semester allerdings rund 32 Millionen Euro. Demnach ­fordert Hoffjan eine Reduzierung um mindestens die Hälfte und verweist auf andere Bundesländer wie Bayern, die den Abschlag von zehn auf drei Prozent gesenkt ­haben.

»Ich bin megasauer. Ständig gibt´s Reformen und nichts funktioniert. Wir sind Versuchska­ninchen, große Verbesserungen spüren wir aber nicht«, sagt Anne Kneip, die im achten Semester Französisch, Deutsch und Geographie auf Lehramt studiert. ­Mit ihrer Meinung steht sie nicht alleine da: Laut einer Emnid-Umfrage bezweifeln bundesweit 83 Prozent der Studenten, dass die Gebühren tatsächlich in eine bessere Ausbildung fließen.

Vor allem die für Lehr­amts­studenten vorgeschriebenen Pä­dagogik-Kurse, erzählt Anne, seien nach wie vor völlig überlaufen: Bereits vor Beginn des Semesters muss sie ihre Seminarplanung machen – und kann dann nur noch auf einen Platz hoffen. »Ich habe Glück gehabt.« Allerdings sind laut Asta in diesem Wintersemester 300 Lehramtsstudenten leer ausgegangen. »Nur weil die Fachbereiche überfüllt sind, müssen wir länger studieren. Das ist unfair«, ärgert sich die 24-Jähri­ge. Auch von dem neuen Hörsaal­gebäude werden Anne und Tobias wohl nicht mehr profitieren.