Die braune Bewegung

Seit 2004 sitzt Pro Köln im Stadtrat, jetzt will die Partei wachsen: In einem Dutzend Kommunen im Land wurden Ablegerparteien gegründet, kürzlich formierte sich der Landesverband Pro NRW. Was sind das für Rechtspopulisten, die sich als »Bürgerbewegung« tarnen? Michael Aust beschreibt die Strategie dieser Gruppierung. Anja Albert hat Tayfun Keltek vom Kölner Integrationsrat befragt, wie die Migranten in Köln den anhaltenden Rechtspopulismus erleben. Uli Kreikebaum berichtet von einem »Dienstagsgespräch«, zu denen sich Rechtsextreme regelmäßig im Umland versammeln. Manfred Wegener hat Moscheen der Region fotografiert, die immer wieder Gegenstand der Pro-Köln-Hetze sind.

An der Wand hängt eine große Deutschland-Fahne, eine kleinere verhüllt das Rednerpult davor. Zwischen den Flaggen steht an diesem 20. Januar Harald Neubauer, Herausgeber der Zeitung »Nation & Europa«. Während Neubauer über »Masseneinwanderung in die deutschen Sozialsysteme« schwadroniert, klatschen knapp hundert Zuhörer im Saal immer wieder Beifall, unter ihnen Mitglieder der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der nationalistisch-flämischen Partei Vlaams Belang. Was aussieht wie ein Treffen rechter Gesinnungsgenossen ist tatsächlich ein Neujahrsempfang im Kölner Rathaus. Der Veranstalter: die Ratsfraktion von Pro Köln und ihre landesweite Ablegerpartei Pro NRW.

»Das glaube ich nicht, da muss ich erst nachgucken«, sagt Inge Schürmann Tage später. Nach kurzer Recherche muss die Stadtsprecherin einlenken: »Pro Köln hat tatsächlich einen Raum für eine Veranstaltung angefragt, dazu haben sie als Fraktion das Recht.« Den Rathaussaal bekamen die Rechtspopulisten kostenlos, nur Saalschutz und Kölsch mussten sie selbst bezahlen.

»Erfolgsmodell Köln«

Bei der Kommunalwahl 2004 gaben 16.531 Kölner (4,7 Prozent) der rechten »Bürgerbewegung« ihre Stimme, seither sitzen fünf Pro-Köln-Abgeordnete im Rat. Ein Erfolg, den die Partei in anderen Städten wiederholen will: Vor drei Jahren schlossen sich Pro-Köln-Mitglieder zum Bundesverband Pro Deutschland zusammen, im September 2007 gründete sich die Partei Pro NRW. Deren Ziel sei der Einzug in den Landtag 2010, heißt es großspurig in einer Absichtserklärung. Auch wenn das nach Ansicht von Wahlforschern mehr als unwahrscheinlich ist – auf kommunaler Ebene könnte die Pro-Gruppierung ihr »Erfolgsmodell Köln« (Partei-Eigenwerbung) kopieren.

So gründeten sich kürzlich Pro Bottrop und Pro Oberhausen, in Gelsenkirchen ist Pro Gelsenkirchen schon im Rat vertreten. Derzeit versucht Pro NRW, sich im Rhein-Sieg- und Rhein-Erft-Kreis, im Oberbergischen, in Leverkusen und Bonn zu verankern. Die Taktik der Pro-Partei ist in allen Kommunen dieselbe: Man geriert sich als Bürgerbewegung, die die Probleme der »schweigenden Mehrheit« aufgreift. »Die treten bieder auf, mit Schlips und Kragen, und versuchen an vorhandene Vorurteile anzudocken«, sagt Alexander Häusler, Sozialwissenschaftler von der Forschungsstelle Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf.

Im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen hat Häusler kürzlich eine Studie über Pro Köln und Pro NRW vorgelegt. Darin beschreibt er die Strategie der Gruppierung als »Rechtspopulismus, der sich als Bürgerbewegung inszeniert«. Nicht anders als andere rechte Parteien schüre die Pro-Gruppierung Ängste – etwa die vor einem gewaltbereiten Islam. »Bisher ist dieses Häuflein abgehalfterter Aktivisten für breite Wählerschichten noch nicht sonderlich attraktiv«, sagt Häusler. Aber anders als die NPD setze sie nicht offen auf rechtsextreme Parolen, sondern fische in der Mitte der Gesellschaft – und darin liege die Gefahr. Vor allem die Kontroverse um die Ehrenfelder Moschee hat Pro Köln in den letzten Jahren für sich genutzt. »Im Unter­schied zu pauschalen Kampagnen gegen den Islam gelten Forderungen nach Minarettverboten inzwischen als deutlich mehrheitsfähig«, sagt Häusler.

Vier Säulen des Populismus

Das Schüren von Ängsten gegenüber Migranten sei nur ein Teil der Strategie von Pro Köln, sagt der Kölner Politologe Christoph Butterwegge. »Es gibt mindestens vier Formen des Rechtspopulismus, und alle sind bei der Pro-Gruppierung präsent.« In der Moscheedebatte bediene Pro Köln das Bedürfnis großer Teile der Bevökerung nach Abgrenzung von Fremden. »Daneben gibt es einen Law-and-Order-Populismus, der etwa bei der Schill-Partei in Hamburg erfolgreich betrieben wurde.« Anknüpfend an Alltagserfahrungen – wie etwa einem diffusen Unbehagen in der U-Bahn – machen sich Rechtspopulisten für härtere Gesetze stark. Auch die Rede von Sozialschmarotzern ist typisch für rechte Stimmenfänger.

Schließlich gebe es noch einen Radikalpopulismus, der sich gegen das politische System insgesamt richtet – bei Pro Köln sei das der Kampf gegen die so genannte »Klüngel-Mafia«. »Es ist kennzeichnend, dass Fronten aufgemacht werden nach unten und oben«, sagt Butterwegge. Da werde die kleinbürgerliche Angst geschürt, in der Mitte der Gesellschaft zerrieben zu werden.

Seit die Gruppierung im Stadtrat sitzt, hat sich diese Angst dort eingenistet. Wenn die Pro-Fraktion Anregungen einbringt, geht es um innere Sicherheit oder kriminelle Ausländer, um »Überfremdung« oder »Islamisierung«, um Abschiebung oder die Auflösung von Übergangswohnheimen. Fraktionsgeschäftsführer Manfred Rouhs zieht es sehr oft vom rechten Rand des Ratssaals ans Rednerpult. Als Ende Januar die Migranten-Proteste in Kalk diskutiert wurden, sprach Rouhs über Zahlen: Über 50 Prozent der Kalker hätten einen Migrationshintergrund, ob allein darin nicht schon ein Problem liege. Darauf platzte dem Kölner SPD-Chef Jochen Ott der Kragen. »Sie wollen ausweisen aus Köln, damit zeigen Sie Ihr wahres Gesicht!«, erregte er sich. »Sie sind nicht pro, sondern gegen Köln!«

Le Pen am Rhein

Abwehrreaktionen wie diese sieht Häusler mit gemischten Gefühlen. »Gruppierungen wie Pro Köln leben von der Effekthascherei. Denen muss man unaufgeregt und vor allem mit Sachkenntnis begegnen.« Die Partei totzuschweigen, um ihr kein Forum zu geben? »Gerade in Köln hat sich gezeigt, dass bei dieser Partei Prävention wichtig ist.« Ihre relative Unbekanntheit komme Pro NRW sogar entgegen: Unter dem Deckmantel der Bürgerinitiative würden Unterschriften gesammelt, um so an Adressen von Wähler-Klientel zu kommen. »Wer bei der NPD unterschreibt, weiß, dass er Rechtsextreme unterstützt«, sagt Häusler. »Wer aber in Castrop-Rauxel bei einer Bürgerbewegung gegen einen Moscheebau unterschreibt, weiß in den seltensten Fällen, dass sich hinter Pro NRW eine extrem rechte Bewegung versteckt.«

Im September soll Köln wieder zum Treffpunkt von Rechtspopulisten aus ganz Europa werden, geladen sind Vertreter von FPÖ und Vlaams Belang und der französische Rechtspopulist Jean-Marie Le Pen. Anlass der Einladung: ein so genannter »Anti-Islamisierungskongress«, der nach dem Willen von Pro Köln in einem Zelt »im Herzen der Stadt« tagen wird, das am Rheinufer unterhalb der Deutzer Brücke stehen soll. »Der Antrag wird gerade von der Polizei geprüft«, sagt Stadtsprecherin Schürmann.


Nachtrag:
In der Ursprungsfassung dieses Artikels war zu lesen, dass Manfred Rouhs »Fraktionschef« von Pro Köln sei. Das war etwas ungenau formuliert: Rouhs ist nur Geschäftsführer der Fraktion und keineswegs Fraktionsvorsitzender. Diesen Titel darf nur Judith Wolter für sich reklamieren.