Handwerk des Weltvertrauens

Wie bekloppt muss man sein, Kris Kristofferson in einem Atemzug mit Bob Dylan, Johnny Cash oder Neil Young zu nennen. Oder auch nur mit Jerry Lee Lewis, Willie Nelson oder Leonard Cohen. Welcher Kölner Kneipen-DJ hat schon mal einen Kris-Kristofferson-Abend veranstaltet?

Dabei ist Kristofferson der Mann der großen Einzelleistung. Zumindest darauf können wir uns einigen. Sein Song »Me and Bobby McGee« (1969) ist Weltkulturerbe. Ein Wiegenlied, oder besser: eine milde Resignation – die Zeile »Freedom’s just another word for nothing left to loose« ist vielleicht die schönste Versinnbildlichung von »1968«. Schon beim ersten Hören ist es einem vertraut. Der Song wurde denn auch von so unterschiedlichen Künstlern wie Janis Joplin (machte aus Bobby, im Original eine Frau, ihren Lover), Jerry Lee Lewis (obszönes Pianogehämmer), Grateful Dead (erhabenes Jodeln), Johnny Cash (lakonisch), Tori Amos (sinnfrei), James Last (kein Kommentar), Pink (übertrieben drall) und ca. 1000 anderen Popstars gecovert. Aber reicht das, um Kristofferson unsterblich zu machen? Zumal er ein durchaus mäßiger Interpret seiner selbst ist.

Auch seine Filmkarriere ist, nun, unbeständig. Es spielt die Hauptrolle in dem legendärsten (und besten) Flop der Filmgeschichte, »Heaven’s Gate« (1980). Seine Rolle als Billy The Kid in »Pat Garrett jagt Billy the Kid« (1973) bebildert die brutalen Landenteignungen, die Karl Marx als »ursprüngliche Akkumulation« analysiert hat. Aber wer freut sich auf die nächste RTL-II-Wiederholung von »Cold Heart – Der beste Bulle von LA«?

Sparen wir uns die rhetori­schen Mätzchen. Kristofferson ist natürlich in einem Atemzug mit den obigen zu nennen, zumal sie (fast) alle seine Stücke gesungen haben. Bereits vor zwanzig Jahren meldete sein Musikverlag, dass 450 verschiedene Künstler seine Songs aufgenommen hätten. Rekord. Der 72-jährige Texaner, der seinen Abschluss in englischer Literatur machte und danach mehrere Jahre als Helikopter­pilot in der US-Armee diente, also erst als reifer Mann zur Musik kam, ist der Songwriter’s Songwriter des Pop.

Sein Erfolg liegt in dem Weltvertrauen, das seine Songs ausstrahlen. Sie haben einen melancholischen Zug, sind aber nicht melancholisch per se, sie sind »männ­lich«, aber nicht machistisch, sie er­zählen vom Eigensinn der Menschen, verherrlichen aber nicht die Revolte. Sie sind hochklassig konventionell und eignen sich gerade deshalb für die unterschiedlichsten Projektionen: von James Last bis Pink.

Kristofferson hat in vierzig Jahren nur drei gute Alben gemacht, und die auch noch in kurzer Zeit (zwischen 1970 und 1974). Er ist vielleicht der einzige Star, bei dem das egal ist. Wer soviel Vertrauen in sein Handwerk hat, kann jeden Schnitzer verkraften.

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Betreff »Weltvertrauen«