Schluss mit dem Gejammer

Als wir uns zum Interview treffen, sind Me­lanie Erkens und Iren Tonoian von »artrmx« noch auf der Standort-Suche für das mit Disco-Kugeln gefüllte Taxi. Stehen soll es an verschiedenen düste­ren oder abgelegenen Plätzen und dennoch wahrgenommen wer­den. Allerdings ist eine gewisse Kontrolle vonnöten, schließlich han­delt es sich um eine Installa­tion von Maximilian Erbacher. Der Kölner, der unter anderem bei Jürgen Klauke und Valie Export studierte, war vor einigen Jahren (unschuldiger) Hauptverdächti­ger im Taxi-Mörder-Fall und ist einer von 52 Künstlern, die für das »artrmx Cologne Vol.01« Festival ausgewählt wurden, das vom 22. bis 31. August Premiere feiert und künftig im zweijährigen Turnus stattfinden soll.

»Wir sind auf die Mitarbeit der Kölner angewiesen«, sagen die beiden Vorstandsfrauen und Initiatorinnen im Hallmackenreuther, dessen Lounge während der Veranstaltung als Festivalzentrum für Mitwirkende, Besucher und Presse dienen wird. Und die aktive Einbindung gilt nicht nur für die Soundcollage von ­Pierre Galic. Zuvor aufgezeich­nete Traum-Monologe von Kölnern wird er als Loop an Knotenpunkten der Stadt installieren.

Ungeschützte Kunst

Viele der Arbeiten aus den Spar­ten Fotografie, Malerei, Street­art, Video, Grafik und Ins­tallation / Skulptur werden schutzlos im öffentlichen Raum aus­gestellt. Andere Arbeiten zeigt der Kunstverein, der sich vor annähernd zwei Jahren unter an­derem aus Kunsthistorikern, Medienwissenschaftlern, Künstlern und Journalisten konstituierte, in ei­nem Friseur-Salon, still gelegten Geschäftsräumen, Off-Spaces wie der Fotopension oder im Schuhgeschäft.

Einige Künstler hatten konkrete Wünsche geäußert. »Die Vermittlerrolle übernehmen wir also nicht nur zwischen Kunst und Betrachter, sondern auch zwischen Gastgeber bzw. Kurato­ren und den Künstlern«, erzählt die Journalistin und Bildredak­teurin Erkens. »Das ist oft zu einem Selbstläufer geworden.« Das Bauturm-Café etwa suchte schon länger nach einer Möglichkeit, die bekannte Blaulicht-Toilette einmal in einem neuem Zusammenhang künstlerisch zu bespielen. Die Räume im Keller werden nun von Marc Dittrich ge­staltet, bekannt geworden durch seine Hochhaus-Illusionen, die er auf Stromkästen und Treppenabsätzen insezenierte. »Die Kunst kommt so mitten in der Gesellschaft vor, nicht als Abweichung«, erklärt Tonoian. Was der junge Kunstverein nicht will, ist, Kunst heterotopisch zu präsentieren, also in reglementierten, institutionalisierten Kontexten, in denen der Kunst eine starre gesellschaftliche Funktion zugeschrieben wird.

Warum braucht Köln so ein Festival? »Wir hatten es satt, die­ses Gejammer über Köln als Kunst­standort und vergangene Zeiten zu hören«, so Erkens. »Artrmx« soll das Potenzial Kölns gleichermaßen beweisen wie ausbauen. Be­züge zur Vergangenheit Kölns als Kunststadt sind gewollt, so kam auch das der Musik entlehnte »rmx« im Festival-Namen zustan­de. Doch stehen bleiben soll die Idee nicht, die Organi­satoren blicken optimistisch in ­die Zukunft.

Das unter anderem vom Kulturamt geförderte Festival versteht sich als Angebot für das arrivierte Kunstpublikum und eine alternativere junge Szene gleicher­maßen. Inhaltliche Klammer ist das Jahresthema »Where is my mind?«, das einmal mehr das Verhältnis von Individuum, Gesellschaft und Kunst beleuchten will, doch der Falle einer platten Polit-Gebrauchskunst entgeht.

Ideen aufgreifen anstatt sich dem Vergleich auszusetzen

Köln, so Erkens und Tonoian, soll sich nicht dem ständigen Vergleich aussetzen, sondern Ideen aus anderen deutschen und internationalen Städten nutzen und wei­­tergeben. Auch innerhalb Kölns setzten sie auf Vernetzung. Überschneidungen gibt es viele zu den aktuellen Entwicklungen, wie etwa zu Aktionen der Euro­pean Kunsthalle oder der art 2.0. Auch über das gemeinsame Wochenende mit dem Festival »New Talents« im Rheinauhafen, bei dem sich Kunstschaffende der Kölner Unis vorstellen, freuen sich die beiden.

Die Auswahl der Arbeiten befindet sich auf einem hohen Niveau: Für die Jury gewann der Verein unter anderem Dr. Barbara J. Scheuermann (Tate Modern), Rik Reinking, Prof. Michael Erlhoff (KISD), Gerard Goodrow, Wolfgang Zurborn (Lichtblick) oder Prof. Julia Scher (KHM). Fast 400 Bewerbungen gingen ein, von den 52 ausgewählten kommt die Hälfte aus dem meist europäischen Ausland. Bereits während der c/o pop ab dem 13. August stellt sich das Festival vor. Dort ist »artrmx« mit einem eignen Stand vertreten. Schon jetzt ist das ­Interesse auch an der nächsten Ausgabe 2010 groß. Gute Aussichten also, dass sich das Festival mit dem Ziel der »lebensnahen und anregenden Kunsterfahrung« etablieren könnte.


artrmx Cologne Vol.01. 52 Künstler,
über 30 Locations in Köln. 22.-30.8.
www.artrmx.com oder im Tageskalender
Vernissage: 23.8., 19.30 Uhr,
ehemaliger Güterbahnhof Ehrenfeld,
Vogelsanger Straße 231. Ab 23 Uhr Party mit Chicks on Speed u.a.