Foto: Manfred Wegener

Der gute Mensch vom Bauspielplatz

Wegen einer defekten Lampe wurde Gottfried Schweitzer der Job beim Bauspielplatz Friedenspark gekündigt. Jetzt geht die Südstadt für den 62-jährigen Pädagogen auf die Straße

 

Für ihn sei die Einheit von Wort und Tat wichtig, sagt Gottfried Schweitzer. Nicht nur reden, sondern auch machen, das versuche er zu vermitteln. Ganz erfolglos sind seine Bemühungen anscheinend nicht gewesen. Unter den rund 100 Menschen, die lautstark vor dem Gebäude der Jugendzentren Köln gGmbH (JugZ) protestieren, sind nicht wenige aktuelle oder ehemalige Baui-Kinder. »Wir wollen unseren Gottfried wieder«, steht auf den Transparenten.

Gottfried Schweitzer ist seit dreißig Jahren Pädagoge in der Kinder- und Jugendeinrichtung am Bauspielplatz Friedenspark in der Südstadt. Doch seit Mitte August darf der 62-Jährige den Baui noch nicht einmal mehr betreten: Wegen eines defekten Außenstrahlers, der eine Gefahr für die Unversehrtheit der Kinder darstelle, sprach die JugZ als städtischer Träger die fristlose Kündigung samt Hausverbot aus.

Der Rauswurf sorgte für einen Aufschrei in der Südstadt. Noch am selben Tag wurden Unterschriften gegen die Entscheidung gesammelt, am Abend darauf gründeten über 100 besorgte Menschen das Solidaritätskomitee »Schweitzergarde«. Auch die Kölner Kulturszene gab eine Erklärung ab, bei einem Solidaritäts-Festival traten Klaus der Geiger, Jürgen Becker und Rolly Brings auf. Und als die Schweitzergarde im September gegen die JugZ protestiert, zählt die Unterschriftenliste bereits über 3000 Stimmen.

Das Ausmaß des Protestes überrascht nur auf den ersten Blick. Der Baui hat für viele Südstädter enormes Identifikationspotenzial. Seit über dreißig Jahren findet hier reformpädagogische Betreuung für Kinder aller Schichten und Nationalitäten statt. Ebenso lang ist der Baui eine zentrale Adresse für alternative Kulturveranstaltungen wie das seit 2004 stattfindende Edelweißpiraten-Festival. Und die treibende Kraft dahinter war und ist Gottfried Schweitzer. Für ihn, sagt er, sei der Baui die »Verwirklichung von dem, wie ich mir Leben vorstelle«. Dafür kämpft er – auch gegen Einmischung von oben. »Der hat sich von der JugZ nie vorschreiben lassen, was er alles nicht darf. Der hat geschaut: Was wollen und brauchen die Kinder?«, erzählt Markus von Wrochem, Ende der 70er Jahre selbst ein Baui-Kind.

Schweitzer selbst beschreibt sich als authentisch. Der gebürtige Schwabe studierte zunächst Theologie wie sein Vater, aber während der Studentenproteste Ende der 60er Jahre saß er als SDS-Mitglied im Asta-Vorstand und entschied sich schließlich für ein Pädagogikstudium. Nach dem Abschluss arbeitete er fünf Jahre in einer Kindertagesstätte in Stutt­gart und ging dann 1978 aus fami­liären Gründen ins Rheinland und fing im Baui an. Oft hat die Stadt Köln seither versucht, die Einrichtung zu schließen oder zu reglementieren und ist dabei auf Widerstand gestoßen. Immer vorne mit dabei: Gottfried Schweitzer. »Die Geschichte des Bauspielplatzes ist eine Geschichte des Kampfes«, sagt er.
Seine fehlende Stromlinienförmigkeit und sozialistische Welt­anschauung gelten vielen als wahrer Kündigungsgrund. Nur: Warum erfolgt seine Demontage gerade jetzt, zwei Jahre vor der Rente – und nicht schon viel früher? Einige vermuten, dass der Angriff eigentlich dem Baui gilt. Der sei der Stadt ein Dorn im Auge und vertrage sich nicht mit dem neuen Rheinauhafen und der Verschönerung der Südstadt. Das befürchtete Szenario: Der Baui muss umziehen, und das attraktive Gelände wird anderweitig verwendet. Dazu passt, dass die Geschäftsführung Schweitzer nach dessen Angaben angeboten hat, in einer anderen Jugendeinrichtung zu arbeiten – für viele ein Hinweis darauf, dass die Verantwortlichen ihn mit aller Macht aus dem Baui entfernen wollen.

Woanders zu arbeiten ist für Schweitzer keine Option: »Das kann ich mir nicht vorstellen, bei der Geschichte vom Baui und mir.« Er möchte bis zur Rente hier bleiben – und darüber hinaus. Ihm schwebt ein Förderverein vor, er spricht von Vernetzung mit anderen Jugendeinrichtungen und von einer weiteren Verzahnung von Kultur und Pädagogik. Doch vorerst heißt es warten. Schweitzer hat Klage gegen die Kündigung eingereicht. Mitte September trafen sich beide Parteien zum Güteverfahren. Sollte dort keine Lösung gefunden worden sein, geht der Fall vor das Arbeitsgericht. Aber das wird wohl nicht vor Mai 2009 passieren. Eine lange Zeit für Gottfried Schweitzer ohne Bauspielplatz – und eine lange Zeit für den Bauspielplatz ohne Gottfried Schweitzer.