Foto: Manfred Wegener

Zurückhaltung und Schweinsgalopp

Die Entscheidung, ob der Deutzer Hafen umgenutzt wird, spaltet Parteien und Verwaltung

Kaum eine Frage treibt das politische Köln derzeit so sehr um wie die nach der Zukunft des Deutzer Hafens. Soll das rechtsrheinische Areal Logistikstandort bleiben oder zum Wohn- und Dienstleistungsstandort umgenutzt werden? Parteien, Verwaltung, selbst die Industrie- und Handelskammer (IHK) – fast alle sind auch intern uneinig. Und wer die im Dezember 2008 vom Stadtentwicklungsdezernat unter Mitwirkung des Wirtschaftsdezernats dem Rat vor­gelegte »Standortuntersuchung Deutzer Hafen« liest, kann die Irritation verstehen.

Wovon reden wir, wenn wir vom Deutzer Hafen reden? Es geht um das etwa 35 Hektar große Areal zwischen Siegburger Straße, Am Schnellert, Alfred-Schütt-Allee und Drehbrücke. Ein Hafengebiet mit funktionierenden Unternehmen für Schrott­entsorgung, Baustoffverarbeitung, einer Mühle und einem Stahlbetrieb. Der Deutzer Hafen trägt zum Warenumschlag aller vier Kölner Häfen allerdings gerade einmal 4,5 Prozent bei und weist zahlreiche ungenutzte Grundstücke auf. Vor allem aber handelt es sich um ein innerstädtisches Sahnestück, das die städtebauliche Phantasie (unterstützt durch Rheinauhafen und Masterplan) offenbar bis zu Träumen von Londons megaschicker Hafenmeile Canary Wharf anfixt.

Wohngebiet oder Logistikstandort?

Wie aber gehen Canary Wharf und Schrottverklappung zusammen? Gar nicht, sagen FDP und CDU synchron. FDP-Fraktionschef Ralph Sterck sieht im Deutzer Hafen ein ideales Quartier für Wohnen und Dienstleistung und möchte die logistischen Aktivitäten an außerstädtische Standorte verlagern. Und das alles lieber heute als morgen. Zum gleichen Schluss kommt die CDU. SPD und Grüne dagegen signalisieren Beratungsbedarf. Grünenchefin Barbara Moritz sagt offen: »Das Thema ist eine Herausforderung und ich habe keine Patentlösung.«

So unterschiedlich die Positionen sein mögen – die Zurückhaltung der einen stellt letztlich nur die Kehrseite des Schweinsgalopps der anderen dar. Denn was das Standortgutachten auflistet, ist eine Zwickmühle. Für die Umnutzung des Hafens zum Wohn- und Dienstleistungsstandort sprechen die weitere Aufwertung des rechtsrheinischen Kernraums und dessen Anbindung an den Rhein sowie ein gewaltiger Imagegewinn für die Stadt. Dem stehen jedoch die von der Hafengesellschaft Köln (HGK) und dem Land NRW prognostizierten Logistikzuwächse und damit ein zukünftig boomender Hafen entgegen.

Die Verlagerung von Firmen und der Ankauf von Grundstücken in Privatbesitz (etwa 30 Prozent des Areals) hätte zudem gravierende finanzielle Folgen. Probleme bereitet auch das 2005 vom Bund beschlossene »Wasserhaushaltsgesetz«, das in Überschwemmungsgebieten wie dem Deutzer Hafen eigentlich keine neuen Baugebiete zulässt.

Uneinigkeit bei Verwaltung

Erhoffen sich Politiker normalerweise klare Vorgaben von der Verwaltung, so haben sie diesmal das Dilemma einfach ungelöst auf den Tisch bekommen. Kein Wunder – die Verwaltung ist selbst uneins. Wirtschaftsdezernent Norbert Walter-Borjans (SPD) argumentiert städtebaulich im Sinne eines »Qualitätsstandorts« für prestigeträchtige Unternehmen, während Baudezernent Bernd Streitberger (CDU) den Hochwasserschutz sowie den Logistikstandort im Auge hat und plötzlich sagt »Köln ist nicht nur white collar, sondern auch blue collar«. Verkehrte Welt.

Der Rheinauhafen und die bevorstehende Kommunalwahl geben der Diskussion zudem noch eine deutlich soziale Schlagseite. Eine Luxusumnutzung des Hafens hätte ohne Zweifel Folgen für die Boden- und Mietpreise in Deutz und Poll. So verwahren sich Barbara Moritz wie auch der Wirtschaftsdezernent klar gegen einen »Rheinauhafen zwei« beziehungsweise ein »Edel­wohngebiet«. Und Bernd Streitberger hat bei der Eröffnung der »Reihenhaus«-Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst eindringlich vor der Segregation des Wohnungsbaus für Arm und Reich gewarnt.

Die Politik hat jetzt erst einmal die Einrichtung einer Planungswerkstatt für kommenden Mai beschlossen, in der Experten das gesamte Feld von Logistik bis Umnutzung durchdiskutieren sollen. Das aber bedeutet, dass der Deutzer Hafen zum Wahlkampfthema wird – ob das zur Klärung beiträgt, ist dann doch eher zu bezweifeln.