Foto: Manfred Wegener

Schaumstoff am Kopf, Rassel im Ball

Die Kicker vom PSV Köln spielen ab Ende März erstmals in der Blindenfußball-Bundesliga mit.

Ex-Nationalkeeper Wolfgang Kleff verglich die Position des Torhüters beim Fußball einst mit dem Posten eines Direktors. Auf Dieter Wolf trifft dieses Bild definitiv zu. Denn der 45-Jährige muss beim PSV Köln nicht einfach nur die Bälle halten.

Ständig dirigiert er seine Vorderleute, und muss dabei seine eigenen Ohren auf Durchzug stellen. Denn hinter seinem Kasten geht es laut zu: »Schieß Junge, schieß doch!«, ruft ein Mann unentwegt den gegnerischen Stürmern zu. Der so genannte »Guide« hilft den Spielern, sich auf dem Feld zu orientieren.

Denn Dieter Wolf ist nicht ir­gend­ein Torwart – sondern Schluss­mann in der Blindenmannschaft des PSV Köln. Noch mehr als im »normalen« Fußball besitzt Wolf als Torwart einen Sonderstatus in seinem Team: Wolf ist der einzige Sehende. Als Ausgleich für seinen Vorteil gibt es verschärfte Bedingungen. Die Abseitsregel entfällt, zudem darf Wolf nur drei Meter aus seinem Kasten herauskommen, um sich den Angreifern entgegen zu werfen.

Anfangs eher eine Notlösung

Wolf ist eher zufällig zum Blindenfußball gekommen. »Eigentlich war ich beim PSV so etwas wie eine Notlösung«, erinnert er sich. Ursprünglich war er nämlich mal Feldspieler. Durch seinen blinden Bruder Andreas sei er dann zur PSV-Elf »gelockt« worden. »Die suchten dringend einen Torwart«, erzählt der 45-Jährige.

Die »Notlösung« fand so viel Geschmack an der neuen Aufgabe, dass er auch noch den Trainerjob übernahm. Offensichtlich mit Erfolg, denn mittlerweile fühlen sich die PSV-Fußballer stark genug, um dieses Jahr erstmals in der Blindenfußball-Bundesliga anzutreten. Dort treffen die Kölner unter anderem auf Teams aus Dortmund, Essen und Mainz.

Die Teilnahme ist auch ein Verdienst von Michael Wahl. Der 28-jährige Student rief die Mannschaft im vergangenen Jahr ins Leben. »Mich hat einfach gereizt, ob es funktioniert«, erklärt Wahl. Denn die meisten sehgeschädigten Menschen betrieben eher Individualsportarten. Wahl selbst hat in Essen angefangen, regelmäßig Fußball zu spielen. »Doch auf die Dauer waren mir die Fahrzeiten zum Training einfach zu lang«, sagt er.

Also suchte er in seiner Heimatstadt Köln Gleichgesinnte. Mit Erfolg. Seit Mai vergangenen Jahres trainiert die PSV-Elf regelmäßig. Ein erstes Testturnier im vergangenen Jahr beim FC St. Pauli verlief mit zwei knappen Niederlagen und einem Remis gegen starke Gegner recht vielversprechend.

Unbeabsichtigte Zusammenstöße nicht selten

Zurück auf dem Spielfeld. »Hier! Hier!« rufen die Spieler immer wieder, um sich bei ihren Mannschaftskollegen bemerkbar zu machen. »Die Verständigung untereinander ist sehr wichtig, um im richtigen Moment einen Positionswechsel anzukündigen«, so Wahl. Auch das spanische Wörtchen »Voy« – wörtlich übersetzt: »Ich komme« – gehört zum ständigen Vokabular der blinden Kicker. Denn damit wird dem Ballführenden signalisiert, dass sein Gegenspieler im Anmarsch ist.

Trotz dieser Warnrufe sind unbeabsichtigte Zusammenstöße aber nicht selten. Um Verletzungen zu vermeiden, tragen die Spieler daher einen Kopfschutz aus Schaumstoff. Und auch der Ball ist nicht zu überhören: In dem runden Stück Kunststoff steckt eine laute Rassel, die quer durch die Halle schallt.

Doch nicht nur auf gutes Hören kommt es an. »Körperbeherrschung und Vorstellungsvermögen sind ebenfalls entscheidend«, erläutert Wahl. Es gehöre schon Mut dazu, einfach über das Spielfeld zu laufen, ohne etwas zu sehen: »Am Anfang muss man deshalb den Spielern die Angst nehmen.«

Gepflegtes Kurzpassspiel

»Unser Training ist mit den gängigen Übungsmethoden nicht vergleichbar«, weiß auch PSV-Coach Dieter Wolf. Ganz wichtig sei das Ballgefühl. Verlangt seien schließlich keine Flankenbälle, die im Nirwana enden, sondern gepflegtes Kurzpassspiel. Der Zuschauer bekommt also durchaus Fußballfeinkost zu sehen.

Überhaupt befände sich der Blindenfußball auf ständig steigendem Niveau, erklärt Wolf. Das gelte besonders für die Herkunftsländer Brasilien, Argentinien und Spanien. Doch auch in Deutschland wollen die Blindenkicker jetzt den internationalen Anschluss schaffen.

Und dabei soll vor allem die im März 2008 gestartete Bundesliga helfen, die nun in die zweite Saison geht. Liga­neuling PSV Köln jedenfalls scheint für die Herausforderung gut gerüstet: Bei einem Testspiel verloren die Kölner kürzlich gegen den amtierenden Meister SSG Blista Marburg nur knapp mit 0-1.